Staatsschauspiel Dresden 6. Oktober 1989, 06.10.2009
6. Oktober 1989 - Politbüro im Kettenhemd - Helme und Kettenhemden für die ,Politbüromitglieder' der König-Artus-Runde.
Im Oktober 1989 wurden am Staatsschauspiel Dresden "Die Ritter der Tafelrunde " zum Symbol des Widerstands
Christoph Heins provozierendes Stück "Die Ritter der Tafelrunde" behandelte den Zerfall von König Artus’ Reich dessen ideologischen Fundamente begründet waren in der Behauptung eines wundertätigen Grals und das schließlich an seinen eigenen Dogmen scheiterte.
Im Probendurchlauf im Frühjahr 1989 gab es bei den zuständigen hochrangigen Kulturbürokraten und Chefideologen von Staat und Partei des Bezirkes Dresden sowie des Ministeriums für Kultur der DDR heftige Diskussionen über das Schicksal der Inszenierung. Um das Stück nicht zu nahe in die Zeit zu holen wurden von den Kostümbildnern für die "Politbüromitglieder "der Artusrunde Helme und Kettenhemden entworfen. Der Autor Christoph Hein war in der DDR populär und ein Aufführungsverbot durch die Politbürokraten wäre als Zeichen der Schwäche und der politischen Blamage interpretiert worden.
Die Dresdner hatten ein feines Gespür dafür. Sie stürmten das Theater und Christoph Heins Tafelrunde wurde Stadtgespräch. Die intensive Beschäftigung des Theaters mit politischen Fragen stimulierte jedoch auch die Arbeits- und Diskussionsatmosphäre des Ensembles. Während der Proben prallten kritische Meinungen aufeinander und verliehen der Inszenierung eine ungewöhnliche Authentizität. Diese Debatten eskalierten nach den Tagen des 3. und 4. Oktobers 1989. Als am Dresdner Hauptbahnhof und auf den Straßen Dresdens die Gewalt zu eskalieren drohte, brach der Regisseur Wolfgang Engel die Proben zu Goethes Faust mit der Begründung ab, "draußen hauen Sie unsere Jugend auf den Kopf, und ich übe hier Gretchens Kammer, das geht nicht."
Die Eskalation hatte Folgen. Das Dresdner Ensemble wollte selber Worte des Protestes finden. Am Abend des 6. Oktober fand die Opposition am Dresdner Staatsschauspiel, stimuliert durch ihr Stück „Die Ritter der Tafelrunde“ ihren mutigen Höhepunkt durch die Resolution „Wir getreten aus unseren Rollen heraus." Diese Resolution, die ab dem 6. Oktober 89, jeweils nach der Vorstellung am Staatsschauspiel Dresden verlesen, wurde, entwickelte sich zum Symbol des Widerstands in Dresden.
Wir treten aus unseren Rollen heraus
- Wir treten aus unseren Rollen heraus. Die Situation in unserem Land zwingt uns dazu.
- Ein Land, das seine Jugend nicht halten kann, gefährdet seine Zukunft.
- Eine Staatsführung, die mit ihrem Volk nicht spricht, ist unglaubwürdig.
- Eine Parteiführung, die ihre Prinzipien nicht mehr auf Brauchbarkeit untersucht, ist zum Untergang verurteilt.
- Ein Volk, das zur Sprachlosigkeit gezwungen wurde, fängt an, gewalttätig zu werden.
- Die Wahrheit muss an den Tag. Unsere Arbeit steckt in diesem Land. Wir lassen uns das Land nicht kaputtmachen.
Wir nutzen unsere Tribüne, um zu fordern:
- Wir haben ein Recht auf Information.
- Wir haben ein Recht auf Dialog.
- Wir haben ein Recht auf selbständiges Denken und auf Kreativität.
- Wir haben ein Recht auf Pluralismus im Denken.
- Wir haben ein Recht auf Widerspruch.
- Wir haben ein Recht auf Reisefreiheit.
- Wir haben ein Recht, unsere staatliche Leitung zu überprüfen.
- Wir haben ein Recht, neu zu denken.
- Wir haben ein Recht, uns einzumischen.
Wir nutzen unsere Tribüne, um unsere Pflichten zu benennen:
1. Wir haben die Pflicht, zu verlangen, dass Lüge und Schönfärberei aus unseren Medien verschwinden.
2. Wir haben die Pflicht, den Dialog zwischen Volk und Partei- und Staatsführung zu erzwingen.
3. Wir haben die Pflicht, von unserem Staatsapparat und von uns zu verlangen, den Dialog gewaltlos zu führen.
4. Wir haben die Pflicht, das Wort Sozialismus so zu definieren, dass dieser Begriff wieder ein annehmbares Lebensideal für unser Volk wird.
5. Wir haben die Pflicht, von unserer Staats- und Parteiführung zu verlangen, das Vertrauen zur Bevölkerung wiederherzustellen.
Von Karl Nolle nach einem Text von Heike Müller-Merten, DNN 26.03.09 und Dokumenten: http://www.ddr89.de/ddr89/inhalt/ddr_texte.html bzw.
http://www.ddr89.de/ddr89/texte/erklaerung25.html