FAZ, Nr. 1 / Seite 33, 02.01.2010
Vergangenheit, die wiederkehren soll - Willy Brandt gesucht
Von Albrecht Müller
Gesucht wird der Hoffnungsträger einer neuen Politik. Das Modell findet sich in den Geschichtsbüchern. Leider wurde das Bild Willy Brandts von seinen Gegnern geprägt. Brandt lehrt, was unsere Politiker vergessen haben: wie man das Gute in den Menschen mobilisiert.
Willy Brandt schuf Vertrauen, weil er Russen und Polen verstand. Jetzt kommt es darauf an, die vom Islam geprägten Völker besser zu verstehen.
Die Böller sind verschossen. Die Sektflaschen geleert. Freudlosigkeit kehrt zurück ins Land. Sie blieb bei denen, die auch an Silvester keinen Spaß hatten. Weil sie wirtschaftliche Sorgen haben. Weil sie unsicher sind. Weil sie gestresst sind. Weil sie angegiftet und gemobbt werden. Weil alle zusammen fast nichts von der Politik erwarten. Dabei wäre es heute nicht wesentlich schwieriger, Orientierung zu bieten, als vor vierzig Jahren. Damals, am 28. Oktober des Jahres 1969, war ein frisch gewählter Bundeskanzler ans Rednerpult des Deutschen Bundestages getreten und hatte erklärt: "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn werden im Innern und nach außen. Die Bundesregierung wird sich von der Erkenntnis leiten lassen, dass der zentrale Auftrag des Grundgesetzes, allen Bürgern gleiche Chancen zu geben, noch nicht annähernd erfüllt wurde. Wir wollen mehr Demokratie wagen."
Hunderttausende von Menschen haben sich zu Willy Brandts Kanzlerzeiten politisch engagiert, auch solche, die zuvor keine Hoffnung mehr mit diesem Staat verbunden hatten. 91,1 Prozent beteiligten sich an der Bundestagswahl 1972. So viele wie nie zuvor und danach. Am 27. September 2009 waren es gerade einmal 70,8 Prozent. So wenige wie nie zuvor. Viele Bürgerinnen und Bürger bekannten sich zu Brandts Zeiten zu ihrer politischen Einstellung. Sie diskutierten auf Straßen und Plätzen, in Bahnen und Bussen, in Betrieben und Familien. Sie beschäftigten sich mit politischer Programmatik. Sie trugen Plaketten. Ihre Autos waren geziert von Aufklebern.
Das war eine aufregende Zeit voller positiver Emotionen. Wenn ich meinen erwachsenen Kindern davon erzähle, dann schauen sie mit fragenden Augen. Sie sehnen sich nach einem neuen politischen Aufbruch und nach einer Persönlichkeit von der Statur Willy Brandts. Brandt war ein Glücksfall: Er war sich nicht zu schade, für uns alle symbolisch mit dem Kniefall von Warschau um Vergebung für die Opfer und das Leid zu bitten, das wir unseren Nachbarn angetan hatten. Er hat mit seinem Charisma Vertrauen in aller Welt geschaffen.
Ich war im August 1968 als Redenschreiber zum damaligen Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller gekommen. Das war die Zeit der Großen Koalition mit Kurt Georg Kiesinger als Bundeskanzler und Willy Brandt als Vizekanzler und Außenminister. Da ein schwieriges wirtschaftspolitisches Thema, die Aufwertung der D-Mark, zu einem der entscheidenden Themen im Wahlkampf geworden war, delegierte mich Schiller in die Wahlkampfleitung der engen Mitarbeiter der SPD-Führungsspitze. So kam ich näher mit Brandt zusammen, der offenbar bewunderte, dass es uns gelungen war, die Verringerung der Exportabhängigkeit mit Hilfe der Aufwertung zu einem breit verstandenen Thema zu machen. Mir brachte nach der Wahl vom 28. September 1969 das Engagement als Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit und damit für den nächsten Wahlkampf. Und später die Verpflichtung zum Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt.
Natürlich haben wir als Mitarbeiter die charismatische Ausstrahlung Brandts bewundert und uns über die Würdigung als Friedensnobelpreisträger gefreut. Intern, im Alltag, war er der nüchterne, effiziente Chef. Das veröffentlichte Bild von Willy Brandt ist, bei aller Sympathie, die er in weiten Kreisen des Volkes genoss, von Vorurteilen gezeichnet. Er sei ein Träumer und kein großer Macher gewesen, hieß es; er sei vielleicht ein Visionär, aber nicht sonderlich leistungsfähig gewesen. Diese Behauptungen liegen im Widerstreit zu seiner Bilanz, die sowohl außenpolitisch als auch gesellschafts- und wirtschaftspolitisch zu den besten gehört, die je ein Bundeskanzler vorweisen konnte. Ich habe Kabinettssitzungen von zwei Kanzlern miterlebt und die Kabinettsentscheidungen und die Verschiebungen von Entscheidungen seit 1968 beobachtet: Das Kabinett Brandt war keinesfalls weniger effizient als die anderen.
Ich habe Willy Brandt bei Arbeitssitzungen und beim Schreiben wichtiger Reden erlebt. Für die Besprechung und Entscheidung zum Konzept des Bundestagswahlkampfs 1972 mit einer Fülle von komplizierten und riskanten Operationen brauchten wir im Zweiergespräch in seinem Haus auf dem Venusberg gerade einmal drei Stunden. Eine ähnliche Effizienz beim Redenschreiben habe ich nur bei Helmut Schmidt erlebt. Bewundernswert waren beide. Aber dem einen hängt nach, dass er sich allzu oft entscheidungsschwach in sein Kämmerlein auf dem Venusberg zurückgezogen haben soll. Diese weitverbreitete Sicht ist falsch. Es ist das Pech Willy Brandts, dass sein Image sowohl von den politischen Gegnern als auch von seinen innerparteilichen Widersachern geprägt ist. Beide gemeinsam haben eine wirkungsvolle Medienarbeit gegen Willy Brandt betrieben. Dem fiel er zum Opfer und mit ihm leider auch die Aufbruchstimmung.
Willy Brandt war ein Menschenfischer. Ein neuer Willy Brandt könnte getrost in Rechnung stellen, dass diese Wirkung nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer menschenfreundlichen politischen Strategie war und deshalb wiederholbar ist. Ich habe viel darüber nachgedacht, warum so viele Menschen Willy Brandt so sehr mochten und eine emotionale Beziehung zu ihm aufbauten. Warum gerade er wie sonst kein Kanzler auch nur annähernd? Willy Brandt war bisher der einzige Bundeskanzler, der die guten Saiten in uns zum Klingen brachte. Er hat uns bei unseren guten Eigenschaften gepackt: bei der Bereitschaft, für andere Menschen mitzudenken, solidarisch zu sein, für andere einzustehen, friedlich miteinander und mit anderen Völkern umzugehen, auch an kommende Generationen zu denken, zur Klärung der Spannungen zwischen Alt und Jung nicht auf den Tisch zu hauen, sondern tolerant zu sein.
Normalerweise setzen Politiker auf unseren Egoismus. Sie versprechen uns sinkende Steuern und Abgaben. "Mehr Netto vom Brutto" - das ist die Un-Brandt-Parole par excellence. Brandt hat am 12. Oktober 1972, also unmittelbar vor den Bundestagswahlen vom 19. November, den englischen Begriff Compassion als seine Leitlinie in die öffentliche Diskussion eingeführt. Das sei, so Brandt wörtlich, "die Bereitschaft, mitzuleiden, die Fähigkeit, barmherzig zu sein, ein Herz für den anderen zu haben. Die Menschlichkeit braucht zuletzt immer den Einzelnen. Aber die Gemeinschaft kann die organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schaffen, menschlicher zu sein und den Schwachen zu schützen."
Das wäre die Orientierung, die ein neuer Willy Brandt uns als Kontrapunkt zum "Jeder ist seines Glückes Schmied" der neoliberalen Zeitgeister bieten müsste. Solidarität als Leitlinie der Politik wäre heute noch um vieles dringlicher als anfangs der siebziger Jahre. Die Arbeitslosigkeit liegt um den Faktor zehn höher als damals; in vielen Familien reicht der Verdienst in einem Job nicht zum Leben; sie sind auf mehrere Arbeitsstellen angewiesen und auf das sogenannte Aufstocken; ungefähr jedes fünfte Kind lebt in Armut; gesicherte Arbeitsverhältnisse sind nicht mehr die Regel, Leiharbeit und Minijobs degradieren viele in einen Tagelöhnerstatus. Stress, soziale Unsicherheit, Familientrennung wegen der allseits verlangten Flexibilität und Mobilität, Verlust des Angesparten, Bevormundung und Druck - das sind die Beiwerke der wirtschaftlichen Verschlechterung. Die Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland gerät mehr und mehr zu einer Karikatur. Es wäre also äußerst wichtig, jemanden zur Stelle zu haben, der oder die willens ist, die "organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen" dafür zu schaffen, dass es wieder menschlicher zugeht. Darum bitte ich - und sicher nicht allein - um einen neuen Willy Brandt.
Nach landläufiger Vorstellung war auch schon vor vierzig Jahren ein Politiker, der nicht auf den Egoismus der Wählerinnen und Wähler setzte, nicht mehrheitsfähig. Willy Brandt hat es trotzdem versucht. Sein Appell an die Solidarität der Menschen untereinander und an die Solidarität mit künftigen Generationen erwies sich als mehrheitsfähig. Brandt erzielte bei der Wahl am 19. November 1972 mit 45,8 Prozent der Zweitstimmen das bisher beste Ergebnis für seine Partei.
Im gegenseitigen Einvernehmen von politischer Führung und Volk hat sich damals sowohl die Atmosphäre als auch die praktische Politik verändert. Daran wäre anzuknüpfen. Brandts Entschluss, die Menschen bei ihrer solidarischen Gabe und Neigung zu packen, ist um vieles produktiver als das heute gängige Herumhacken auf den Schwachen. Heute kultivieren die sogenannten Eliten ein pauschales Misstrauen im Umgang mit der Mehrheit der Menschen und vor allem den Schwachen. In der Sprache der heute tonangebenden Zyniker war Willy Brandt ein "Gutmensch". Unsere neue Hoffnung müsste dieses Etikett nicht als Stigma, sondern als Auszeichnung verstehen.
Auch damals gab es Andersdenkende. Auch damals gab es Menschen, die mit dem Vertrauen in ihre guten Seiten nicht erreicht wurden. Die Mehrheit aber wurde erreicht. Darunter auch viele, die keine natürlichen Verbündeten der Sozialdemokratie waren. Brandt hatte auch auf die Wertkonservativen gesetzt. Er erreichte mit seiner Botschaft zur Versöhnung nach außen und nach innen viele in der christlichen Ethik verwurzelte Menschen, denen bis dahin seine politische Richtung fremd gewesen war. "Ich weiß, auf meiner Seite steht, über die eigene Partei hinaus, das anständige Deutschland", sagte er zum Trost seiner Anhänger kurze Zeit nach seinem Rücktritt im Mai 1974. Falsch ist diese Diagnose nicht. Sie ist richtungsweisend für eine hoffnungsvollere politische Perspektive.
Willy Brandt ist von Spitzenvertretern seiner eigenen Partei des Öfteren vorgeworfen worden, er habe zu viele und zu große Erwartungen geweckt. Brandt wusste, dass man Orientierung bieten muss, dass man die Ziele der eigenen Politik auch weltanschaulich begreifbar formulieren muss, dass man die Emotionalität der Menschen verstehen und in Rechnung stellen muss. Deshalb darf und muss man auch die eigenen Ziele überhöhen.
Das gilt heute noch mehr als zu seiner Zeit. Denn in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen jenen, die auf das nackte Eigeninteresse der Menschen setzen, und jenen, die die Gesellschaft auf Solidarität aufbauen wollen, ist die Ordinate deutlich zugunsten des materiellen Interessiertseins und des Kommerzes verschoben worden. Diese Fixierungen wird der neue Willy Brandt nur mit einer ebenso profilierten Überhöhung überwinden können. Nur dann wird es möglich sein, die guten Saiten zum Klingen zu bringen. Wir alle sind hin und her gerissen zwischen Eigeninteresse und Empathie. Dreißig Jahre Indoktrination hinterlassen Spuren.
Bei der Vorbereitung dieses Artikels habe ich meinen Zahnarzt, der sichtlich das politische Interesse verloren hat, gefragt, wie er die herrschende Politik charakterisieren würde. Seine Antwort: dekadent! Ich mache mir diese Charakterisierung zu eigen. Weil es mir schwerfällt, die weitverbreiteten, einander stimulierenden Vorgänge politischer Korruption anders zu sehen. Es ist üblich geworden, politische - und übrigens auch unternehmerische - Entscheidungen mit zerstörerischen Konsequenzen zu treffen, um daran zu verdienen oder um Freunden von welcher Art auch immer Verdienste zuzuschanzen. Die Rettung aller angeblich systemrelevanten Banken, die geplante Privatisierung der Bahn, die Privatisierung vieler kommunaler Einrichtungen, die Zerstörung des Vertrauens in die gesetzliche Rente und die gleichzeitige Subvention der kommerziellen privaten Vorsorge, die Kommerzialisierung des Fernsehens und Hörfunks - wir können diese Vorgänge gar nicht anders erklären als mit den dahintersteckenden Interessen. Das halbe Kabinett Kohl hat an der Entscheidung für die Kommerzialisierung des Rundfunks Jahre später verdient - über Beraterverträge mit einem der beiden Hauptbegünstigten, mit Leo Kirch. Reihenweise verdienen heute Politiker und Manager an den Entscheidungen, die sie zuvor im Amt getroffen haben. Der Bundeswirtschaftsminister fördert bis zum Ende seiner Amtszeit 2005 die Leiharbeit und wird anschließend von einem großen Leiharbeitsunternehmen beschäftigt. Der Bundessozialminister führt 2002 die öffentliche Subvention der Privatvorsorge ein und berät dann die davon profitierende Finanzwirtschaft. Und so weiter und so fort. Das ist der sogenannte Drehtüreffekt und eine ziemlich neue Dimension der Verwilderung der Sitten.
Das schreit nach einer bundesrepublikanischen Kulturrevolution. Wir sehnen uns nach korruptionsfreien Entscheidungen in Wirtschaft und Politik. Einen neuen Willy Brandt erbittend - politisch korrupt war er nicht, vermutlich auch nicht sein Vorgänger Kiesinger (CDU). Und auch der Vorvorgänger Ludwig Erhard nicht. Und auch Brandts Nachfolger Helmut Schmidt nicht.
Willy Brandt brachte nicht nur Empathie, sondern auch Intelligenz, das heißt Umsicht, Weitsicht und strategisches Denken, ins politische Geschehen. Diese Fähigkeiten haben mich mindestens so sehr fasziniert wie seine menschliche Qualität und sein Werben um Solidarität. Schon vor der Bundestagswahl 1961, also gut zehn Jahre vor der Veröffentlichung des Berichts des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums, erklärte Willy Brandt, dass die Umweltfragen ein ähnliches Gewicht bekommen würden wie die Massenarbeitslosigkeit in den dreißiger Jahren. Zehn Jahre später fing er als Bundeskanzler mit der praktischen Umweltschutzarbeit an. Der Leitbegriff im Programm für die politische Arbeit nach der Wahl von 1972 war "Lebensqualität". Brandt beklagte damals zu Recht den Zeitverlust. Weitere vierzig Jahre später, heute, fordert der Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache mehr Achtsamkeit für die Umwelt. Das ist zwar richtig, aber eine ziemlich späte Erkenntnis.
Brandts Weitsicht und sein strategisches Denken waren von unschätzbarem Wert für unsere Sicherheit: In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts rüsteten Ost und West militärisch und ideologisch auf. Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, entwickelte mit seinen Mitstreitern zunächst leise und nach dem Bau der Mauer im August 1961 dann offen eine Strategie zur Überwindung der Konfrontation von Ost und West. "Wandel durch Annäherung", Wandel im Osten durch Abbau der Konfrontation - das war die Vorstellung, die Brandts Mitarbeiter Egon Bahr zum ersten Mal am 15. Juli 1963 in Tutzing vortrug. Der Wandel trat dann sichtbar in der Person und Politik Gorbatschows ein.
Brandts Vertragspolitik bestand aus einer Mischung von Festigkeit und der Bereitschaft, sich in die Lage des Gegners und kommenden Partners hineinzudenken und so Vertrauen zu gewinnen. So galt es, die Leiden des polnischen Volkes und der Völker der damaligen Sowjetunion, die im Zweiten Weltkrieg 20 Millionen Menschen verloren hatten, zu begreifen und dies sichtbar werden zu lassen. Viele Menschen, die früher einmal politische Gegner von Willy Brandt waren, haben erst später verstanden, was dieser Mann allein dadurch für unser Land und unser Ansehen geleistet hat, dass er eine feste Basis des Vertrauens schuf. Das war langfristig geplant und eingeleitet.
Jetzt kommt es darauf an, die vom Islam geprägten Völker besser zu verstehen und so aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt herauszukommen. Leicht ist das nicht. Leichter zu vermitteln ist immer das Draufschlagen wie damals in den fünfziger Jahren. Aber es gibt keine Alternative zum Versuch des Austritts aus der Spirale der Gewalt. Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. So Brandt. Daran hat sich nichts geändert. Deshalb hoffen wir sehnsüchtig auf strategiefähige, weitsichtige Persönlichkeiten, auf Personen, die Vertrauen schaffen.
Einen neuen Willy Brandt erbittend - wenn sich eine solche Person finden ließe, dann müsste sie in einem breiten Bündnis verankert werden, in einer neuen gesellschaftlichen Koalition aus wertkonservativem Bürgertum, Arbeitnehmerschaft und dem verbliebenen Rest des fortschrittlichen, kritischen Bürgertums. Das anständige Deutschland eben. Es wäre eine Koalition von Menschen, die gern gute Nachbarn sind nach innen und nach außen. Es wäre eine Koalition von Menschen, für die Kriege nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sind. Es wäre eine Koalition von Menschen, die gegenüber politischer Korruption kein Auge zudrücken. Es wäre eine Koalition von Menschen, die verfassungstreu sind, die das Versprechen der Sozialstaatlichkeit ernst nehmen und sich um den Verlust demokratischer Substanz sorgen. Es wäre eine Koalition von Menschen, die unter keinen Umständen die weitere Konzentration der Medienmacht und damit eine schleichende Berlusconisierung unseres Landes und Europas hinnehmen.
Ich könnte es auch anders formulieren: eine politische Koalition aus Freunden unseres Grundgesetzes. Eine Koalition von Menschen, die froh sind über die Verpflichtung zur Demokratie und zur Sozialstaatlichkeit. Ein Bündnis von Menschen, die klar sehen, wie gefährdet diese Errungenschaften sind, wenn sich ein Bürger nach dem andern aus der Politik verabschiedet.
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Albrecht Müller blieb bis zur Wende von 1982 Leiter des Planungsstabes im Bundeskanzleramt. Von 1987 bis 1994 gehörte er dem Bundestag an. 2009 erschien sein Buch "Meinungsmache: Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen".
Willy Brandts Wirkung auf die Menschen war das Ergebnis einer menschenfreundlichen politischen Strategie. Und ist deshalb wiederholbar.