www.quo-vadis-dresden.de, 14.11.2010
Zuckerbrot und Preise - “Weltoffenes Sachsen” mit einer Art Verpflichtungserklärung und Treueeid
Kommentar von Johannes Hellmich
Warum auch ausgerechnet Hobbygärtner? Schon der sonderbare Ansatz der Vereinsarbeit musste misstrauisch machen: kultureller Austausch und ökologisches Gedankengut. War nicht abzusehen, dass die ungebetenen „internationalen“ Zaungäste, statt sich über Herbstastern und gemeinsame Quittenernte zu freuen, lieber über ihre Lage beschweren würden?
Nun haben wir den Salat! Erneut schlägt ein Verein, den bisher kaum jemand kannte, in herausfordernder Weise den Dank des sächsischen Vaterlandes aus. Das Sozialministerium nannte die Ablehnung des Integrationspreises durch den Verein “Internationale Gärten Dresden” am Samstag denn auch prompt „nicht nachvollziehbar, unverständlich und sehr bedauerlich“. Die xenophilen Gartenfreunde hätten sich schließlich selbst um die Auszeichnung bemüht. Die Begründungen des Vereins, die eigentlich recht verständlich erklären, was zum Verzicht auf die Ehrung führte, werden offenbar als nicht ausreichend angesehen. Hätte das unionsgeführte Ministerium nicht generell ein Wahrnehmungsproblem, könnte es erkennen: Für den Ausländerbeauftragten Martin Gillo sind die genannten Gründe und der zeitliche Zusammenhang eine schallende Ohrfeige. Gäbe es in den Reihen der Verantwortlichen Reste eines zivilgesellschaftlichen Anstandes, es bedürfte nicht dieser Form der Anklage einiger ehrenamtlich Engagierter.
Wenn Politik eigenes Versagen auch allzu gern nach der Devise „Richtig gehandelt, aber schlecht erklärt“ entschuldigt und damit dem begriffsstutzigen Adressaten anlastet; die Stellungnahme des Vereins beschreibt präzise die Wirkung politischen Unwillens und widersprüchlicher Kommunikation:
Die [...] Worte des neuen sächsischen Ausländerbeauftragten Mitte dieses Jahres ließen bei vielen Initiativen Hoffnung aufkommen, dass es sowohl in der Stadt Dresden als auch im gesamten Freistaat Sachsen zur Abschaffung dieser entwürdigenden Zwangsunterbringung kommen würde.
Am 30. September hat sich der Dresdner Stadtrat jedoch bedauerlicherweise gegen die dezentrale Unterbringung entschieden. Bemühungen des sächsischen Ausländerbeauftragten, in dieser Frage in seiner Partei ein Umdenken herbeizuführen, seine Position offensiver zu nutzen, wurden vermisst. Auch die aktuelle Initiative im Landtag, die Residenzpflicht für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge abzuschaffen, wird an der sächsischen Regierungsmehrheit scheitern. Gesellschaftliche Teilhabe für MigrantInnen in Sachsen gehört leider weder auf die Agenda der derzeitigen Regierung noch ihres Ausländerbeauftragten.
Die Hoffnungen von Gillos Parteifreund Tillich, die Sachsen nach seinem eigenen Bilde zu handzahmen Leisetretern zu formen, dürften nun durch die Absage der selbstbewussten Gärtner einen herben Dämpfer erhalten haben. Preisverleihungen als Politikmittel scheinen plötzlich ihren Dienst zu versagen. Die Gartenfreunde waren nicht die Einzigen: Das Pirnaer alternative Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ) hatte bereits einige Tage zuvor die Annahme des immerhin mit zehntausend Euro dotierten Demokratiepreises des Förderprogramms “weltoffenes Sachsen” verweigert zusammen mit der Unterschrift unter eine Art Verpflichtungserklärung mit Treueeid. Anlass für die Zurückweisung war der nette Versuch des Innenministeriums, den Nachweis staatskonformer Gesinnung auf den Anwärter der Anerkennung zu verlagern und das Demokratiebüro zur Mitarbeit zu bewegen. Vielleicht wäre es ehrlicher gewesen, statt alberner Glaubensbekenntnisse zu verlangen: Nennt Namen! Das Ziel, missliebige Demokratieinitiativen auszugrenzen, wäre auch dann erreicht. Nicht zufällig gab es ebenso im Falle des Pirnaer Kulturbüros trotz klarer Ansage und Unterstützung durch Initiatoren und anderen Demokratievereinen die üblichen Reaktionen auf der Regierungsseite: Abwehr, Unverständnis, markige Sprüche.
Immerhin konnte die hochmotivierte sächsische Landesregierung einmal mehr ihren von Tillich beanspruchten Veränderungswillen unter Beweis stellen und am lebenden Objekt eine Regelung testen, mit der Bundesfamilienministerin Schröder nächstes Jahr bundesweit für den überfälligen Ausschluss der Reichsfeinde von Gratifikation und Förderung sorgen will.
Der Verfassungspatriotismus von Schwarz-Gelb ist nachdrücklich zu begrüßen, allerdings war es eben nicht die Antifa in der Sächsischen Schweiz, die 1933 den Ermächtigungsgesetzen zustimmte und die Verfassung suspendierte, es waren jene Parlamentarier, die sich später zahlreich in der Union wiederfanden.
Ob Arnold Vaatz, Träger des Sächsischen Verdienstordens und langjähriges Mitglied des Studienzentrums Weikersheim, je eine Extremismusklausel unterschreiben musste, ist nicht überliefert. Bekannt wurde das Studienzentrum als eine Art Denkfabrik der Neuen Rechten, in der 1997 der Holocaustleugner Horst Mahler einen vielbeachteten Vortrag hielt, die 1993 die Junge Landsmannschaft Ostpreußen zu Gast hatte und wo Martin Hohmann, der christdemokratische Thilo Sarrazin, kameradschaftliche Unterstützung fand.
Mit der Verleihung des Toleranzpreises an Monika Maron dürften sich die Preisturbulenzen erst einmal legen. Sie darf als sichere Bank gelten. Ihre Mitstreiterin im Geiste Necla Kelek hat gerade den Freiheitspreis der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung erhalten; eine Entscheidung, die selbst bei den Freidemokraten durchaus auch kritisch gesehen wird.
Es lässt sich schwer beurteilen, ob die gegenwärtige aggressive “Preispolitik” der Konservativen nur ein zeitweiliger Ausdruck von Verunsicherung ist oder Begleiterscheinung einer tiefer gehenden Radikalisierung. Das könnten auch keine Grundsatzerklärungen beantworten. Unterschreiben würden die um ihre Macht Bangenden ohnehin alles.