Agenturen dapd, 16:42 Uhr, 24.07.2011
Trotz Kritik ermitteln Behörden mehr als 40.000 Personendaten
Justizminister gerät in Handydaten-Affäre zunehmend unter Druck
Berlin/Dresden (dapd-lsc). Trotz schärfster Kritik betreibt die sächsische Polizei offenbar weiterhin massenhaft die detaillierte Auswertung von Handydaten. Wie aus einer nun veröffentlichten Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Henning Homann (SPD) hervorgeht, haben die Ermittlungsbehörden inzwischen in mehr als 40.000 Fällen die Namen, Adressen und Geburtsdaten von Handynutzern ermittelt. Sie alle haben bei Großdemonstrationen im Februar in Dresdens Innenstadt telefoniert.
Das berichtet die in Berlin erscheinende «tageszeitung» (taz/Montagsausgabe) mit Verweis auf die Drucksache 5/6146. Bislang habe das sächsische Innenministerium lediglich von 460 Fällen gesprochen, bei denen diese Daten angefordert worden sein sollen.
Wie im Juni bekannt geworden war, hatte die sächsische Polizei sich anlässlich zweier Großdemonstrationen gegen Neonazis im Februar 2011 von Telekommunikationsunternehmen über eine Million sogenannter Verkehrsdaten von rund 330.000 Anwohnern, Demonstranten, Politikern, Anwälten und Journalisten liefern lassen. Verkehrsdaten umfassen im Gegensatz zu Bestandsdaten Rufnummern, Verbindungsdaten und Ortsangaben, nicht jedoch persönliche Angaben zu den Handynutzern.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der aufgrund der Maßnahme massiv in die Kritik geraten war, hatte daraufhin betont, dass lediglich in 460 Fällen auch die Bestandsdaten erfasst worden seien. Im Schreiben seines Ministeriums heißt es nun laut Zeitung: «Bisher wurden 40.732 Bestandsdaten abgefragt.»
Unterdessen wachse in Sachsen die Kritik an Justizminister Jürgen Martens (FDP). Dieser hatte erst am Donnerstag in einer ebenfalls nun veröffentlichten Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Eva Jähnigen betont, abgesehen von den Februar-Demonstrationen habe es keine Funkzellenauswertungen im Zusammenhang mit Demonstrationsgeschehen in Sachsen gegeben (Drucksache 5/6191).
Der «taz» liegen jedoch Dokumente vor, die eine solche Funkzellenauswertung belegen. Demnach hat die Polizei im Zusammenhang mit Protesten gegen eine Demonstration von Neonazis am 17. Juni 2010 in Dresden ebenfalls eine Funkzellenauswertung veranlasst.
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in Sachsen, Johannes Lichdi, sagte der «taz»: «Der Justizminister sagt offensichtlich nicht die ganze Wahrheit. Entweder hat er hier Fakten unterschlagen oder er ist tatsächlich nicht informiert.» Beides sei bei einem Minister nicht hinzunehmen - erst recht nicht bei der Brisanz, die das Thema habe.
Von Angela Meier
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241642 Jul 11