Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.09.2011

Handy-Abfrage verstieß gegen Gesetze

Der Prüfbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig stellt die rechtswidrige, massenhafte Erhebung von Telefonverbindungsdaten fest.
 
Sachsens Polizei und Justiz kommen in der Handy-Affäre gewaltig unter Druck. Der mit Spannung erwartete Prüfbericht des Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig über die massenhafte Erhebung von Telefonverbindungsdaten während mehrerer Anti-Nazi-Demon-strationen am 13., 18. und 19. Februar in Dresden lastet ihnen zahlreiche Gesetzesverstöße an.

Bereits die richterlich genehmigte Abfrage von über einer Millionen Handydaten, von der nicht nur Kundgebungsteilnehmer, sondern auch unter einem besonderen Rechtsschutz stehende Abgeordnete, Geistliche, Rechtsanwälte und Journalisten betroffen waren, ist demnach unverhältnismäßig gewesen. Schurig: „Die Abfragen hätten nach den rechtlichen Vorgaben so nicht erfolgen dürfen.“ Bei den fünf überprüften Funkzellenabfragen sei es zum Teil weder zu der geforderten minutengenauen Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum gekommen noch sei eine ausreichende Prüfung für deren Notwendigkeit erfolgt. Unter anderem habe die Staatsanwaltschaft Dresden dem Gericht Anträge zur Genehmigung von Datenabfragen vorgelegt, die bereits vorformuliert im Computer der Staatsanwaltschaft abgespeichert waren. Der zuständige Richter habe nur noch wenige Angaben eintragen müssen. Zudem sei der vor seiner Unterschrift nicht wie erforderlich über die Hintergründe und Details der jeweils beantragten Telefonabfrage informiert worden. Offensichtlich wäre die Funkzellenabfragen unzulässigerweise als eine Standardmaßnahme der Ermittlungsarbeit angesehen worden. Die vorgeschriebene Prüfung habe sich auf formale Abläufe beschränkt, stellte Schurig fest. Sein Fazit: „Polizei und Justiz schossen weit übers Ziel hinaus.“

Regierung mit Gegengutachten

Offizielle Beanstandungen erhob Sachsens Datenschutzbeauftragter schließlich gegen die großflächige Abfrage von Telefonverbindungsdaten an insgesamt 14 Standorten, dabei vor allem in der Dresdner Südvorstadt, sowie gegen eine sich sogar über zwei Tage erstreckende Handy-Abfrage in einem Stadtteil, der außerhalb der Demo-Zonen liegt. Laut Schurig wurden bei den Abfragen auch „Daten ins Blaue erhoben“. Ein solches Sammeln von Daten auf Vorrat sei ebenfalls unzulässig. Speziell dem Landeskriminalamt macht der Datenschützer schwere Vorwürfe zum Umgang mit dem gesammelten Material. So habe es überhaupt kein erkennbares Konzept zu dessen Auswertung gegeben. Außerdem hätten nicht benötige Daten umgehend wieder gelöscht sowie von den Handy-Abfragen Betroffene informiert werden müssen, sagt Schurig mit Verweis auf die aktuelle Gesetzeslage. Sein 53-seitiger Prüfbericht gibt damit zum Großteil Kritikern recht, die seit Monaten das Vorgehen von Polizei und Justiz im Zusammenhang mit den Februar-Demonstrationen monieren. Schurig selbst bezeichnet den Umfang der Datenerhebung im Umfeld einer politischen Kundgebung als „bisher einmalig in Deutschland“.

Im Dresdner Regierungsviertel löste der Bericht unterschiedliche Reaktionen aus. Zustimmung kam von der Opposition. Justizminister Jürgens Martens (FDP) vereidigte dagegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Dresden. Das Innenministerium will Schurigs Bericht prüfen, kündigte für kommende Woche aber bereits ein gegenteiliges Gutachten des Berliner Verfassungsrechtlers Ulrich Battis an.
Von Gunnar Saft

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