Karl Nolle, MdL

Agenturen dapd, 15:52 Uhr, 14.09.2011

Verfassungsrechtler attackiert Datenschützer - Opposition: Gutachten im Auftrag des Innenministeriums wertlos und politisch motiviert

 
Dresden (dapd-lsc). In der Handy-Affäre ist das sächsische Innenministerium der Kritik des Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig mit einem eigenen Gutachten entgegengetreten. Der Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Battis wirft Schurig darin eine «vollständige Verkennung der Gewaltenteilung» vor. Die Opposition kritisierte das am Mittwoch vorgestellte Gutachten als zu undifferenziert. Der Auftrag des Innenministeriums sei politisch motiviert und gegen den vom Parlament gewählten Datenschützer gerichtet.

Nach Schurigs Ansicht hatten Polizei und Staatsanwaltschaft bei der millionenfachen Handydaten-Erfassung im Februar gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen. Zudem habe der Richter bei der Genehmigung der Funkzellenabfrage lediglich seine Unterschrift unter den Beschluss gesetzt.

Er habe nicht glauben können, dass in dem Bericht wirklich stehe, die richterliche Entscheidung sei nur eine Formalie, sagte Battis dazu. Die Grünen-Fraktion betonte indes, Schurig habe nicht die Kompetenzverteilung im Strafverfahren verkannt, sondern vielmehr auf die eigenständige Verantwortung der handelnden Stellen hingewiesen.

Grundsätzlich bezeichnete Battis die Funkzellenabfrage als angemessen. Grundrechte seien davon betroffen, räumte er in Dresden bei der Vorstellung seines Gutachtens ein. Jedoch sei die Funkzellenabfrage in großen Teilen Dresdens das einzig Erfolg versprechende Mittel bei den Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs gewesen. Die negativen Auswirkungen eines Absehens davon hätten schwerer gewogen als die hohe Anzahl der in ihren Grundrechten Betroffenen, heißt es in dem Gutachten.

Verfassungsrechtler kennt Ermittlungsunterlagen nicht

Battis hat sein Gutachten nach eigenen Angaben anhand von Schurigs Bericht und dessen vorherigen Äußerungen erstellt. Ermittlungsakten hätten ihm nicht vorgelegen. Die Linke-Fraktion kritisierte dies als «völlig abstrakte und daher wertlose Einschätzung». Auch die SPD betonte, dem Papier fehle «jede Aussagekraft». Es diene nur «als Kampfansage der Staatsregierung an den Datenschutzbeauftragten».

Auch wenn Battis anders als Schurig zu dem Schluss kommt, dass die Funkzellenabfrage verhältnismäßig war, räumte er ein: «Bei der Verhältnismäßigkeit kann man diskutieren.» Wenn man aber wie Schurig allein die Polizei als «Bösewicht» darstelle, könne man die Verhältnismäßigkeit nicht richtig abwägen. Die Landtags-Grünen sprachen derweil von einer offensichtlichen Absicht des Innenministeriums, «die Polizei aus der Schusslinie zu nehmen».

Bei dem Gutachten handele es sich nicht, wie von der Opposition kritisiert, um ein «Gegengutachten», betonten sowohl Battis als auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Bei «einigen zentralen Themen» sei das Ministerium anderer Meinung als Schurig, sagte Ulbig. Deshalb habe es einen unabhängigen Experten um Rat gefragt. Die Anfrage des Ministeriums habe er vor wenigen Wochen erhalten, sagte Battis.

Zur Frage nach möglichen Konsequenzen des Innenministeriums verwies Ulbig auf die Bundesratsinitiative Sachsens für klarere Regelungen bei Funkzellenabfragen sowie die bereits erstellte Handreichung seines Ministeriums für Ermittler. Bis Oktober werde das Ministerium zudem gegenüber dem Datenschutzbeauftragten Stellung nehmen.
Von Juliane Matthey

dapd/jmy/nik /1
141550 Sep 11

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