Agenturen dapd, 10:03 Uhr, 19.09.2011
Nach Abgeordnetenhauswahl Spekulationen über Koalition - Rot-Grün und große Koalition möglich - Künast: Grüne nicht zum Nulltarif
Berlin (dapd). Nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl, die die SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit trotz leichter Einbußen gewann, wird über eine mögliche Koalitionsbildung spekuliert. Die Sozialdemokraten könnten sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU regieren. Rot-Grün käme somit auf 78 der 152 Mandate. Für eine Koalition aus SPD und CDU wäre die Mehrheit deutlich komfortabler.
Die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, Renate Künast, sagte zu möglichen Sondierungsgesprächen mit der SPD am Montag im RBB-Inforadio, ihre Partei habe mit ihrem starken Ergebnis Rot-Grün überhaupt erst möglich gemacht. Daher sei sie nicht zum Nulltarif zu haben. Unter anderem werde der Weiterbau der umstrittenen Stadtautobahn A 100 eine wichtige Rolle spielen. Das Thema hänge «nach wie vor sehr hoch» bei den Grünen.
«Wir können sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU», sagte der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, der Nachrichtenagentur dapd. «Wir fordern von der neuen Regierung eine Dekade des wirtschaftlichen Aufschwungs.»
Die Berliner SPD sollte am Montagnachmittag entscheiden, mit wem und wann sie Sondierungsgespräche über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen führt.
Von dem unerwartet großen Wahlerfolg der Piraten-Partei zeigte sich Schweitzer überrascht. «Wir müssen jetzt sehen, welche politischen Konzepte sie vorweisen werden.»
Piratenpartei ist «eine großstädtische Gruppierung»
Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer hält den Erfolg der Piratenpartei für ein «spezifisches Berliner Produkt». Bereits bei der Bundestagswahl 2009 habe die Partei in der Hauptstadt gute Ergebnisse erzielt. «Sie ist eine großstädtische Gruppierung», sagte Neugebauer der Nachrichtenagentur dapd.
Die Bundes-FDP sieht er nach der Wahlschlappe am Scheideweg. «Sie muss sich jetzt entscheiden, ob sie sich regierungskonform verhält oder aus der Regierung aussteigt.» Neuwahlen sollte sie jedoch vermeiden. «In diesem Fall ist die FDP weg vom Fenster», sagte Neugebauer.
CDU und Grüne konnten zulegen
Die Piratenpartei errang erstmals Mandate auf Landesebene, die FDP flog zum vierten Mal hintereinander aus einem Landesparlament. CDU und Grüne konnten zulegen, die Grünen blieben mit Spitzenkandidatin Renate Künast aber hinter den eigenen Erwartungen zurück. Die Linkspartei musste Verluste verkraften.
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die SPD auf 28,3 Prozent (2006: 30,8), die CDU erreichte 23,4 Prozent, zwei Punkte mehr als vor fünf Jahren. Für die Grünen stimmten 17,6 Prozent der Berliner, 2006 waren es 13,1 Prozent. Die Linke kam auf 11,7 Prozent (2006: 13,4). Die Piratenpartei schaffte auf Anhieb 8,9 Prozent der Stimmen. Die FDP scheiterte dagegen mit kläglichen 1,8 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Liberalen landeten damit noch hinter der rechtsextremen NPD, für die 2,1 Prozent errechnet wurden. 2006 hatte die FDP noch 7,6 Prozent erzielt.
Von Marion Schierz
dapd/msz/nsc /3
191003 Sep 11