Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 18:26 Uhr, 15.10.2011

Finanzbranche in der Kritik

SPD-Chef Gabriel will Banken zerschlagen
 
Es ist ein Frontalangriff auf die Geldbranche in Deutschland: SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangt im SPIEGEL die Trennung von Investmentbanking und Geschäftsbanken - was auf eine Zerschlagung der Konzerne hinausliefe. Ausdrücklich lobt Gabriel die Proteste gegen die Macht der Finanzmärkte.

Hamburg - SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangt die Zerschlagung deutscher Banken. "Richtig wäre eine Trennung von Investmentbanking und Geschäftsbanken", sagte Gabriel dem SPIEGEL. "Ich möchte, dass beim Geschäftsfeld des Investmentbankings ein ganz großes Schild an der Tür steht mit der Aufschrift 'Hier endet die Staatshaftung.'"

Der Parteivorsitzende sprach vom "Ende einer Epoche": Die "Ideologie der Neoliberalen" sei gescheitert, nun müsse man "den Kapitalismus ein zweites Mal bändigen". Er forderte die Bundesbürger auf, nach dem Vorbild der US-amerikanischen Protestbewegung gegen Banken und Börsianer auf die Straße zu gehen: "Auch in Deutschland ist es gut, wenn möglichst viele Menschen an Initiativen und friedlichen Demonstrationen gegen die Herrschaft der Finanzmärkte teilnehmen", sagte er. "Die Anbetung der grenzenlosen Freiheit der Märkte hat die Welt an den Rand des Ruins gebracht."

Gabriel räumte allerdings ein, dass auch die SPD in der Vergangenheit die Liberalisierung der Finanzmärkte betrieben habe. "Natürlich haben auch wir Fehler gemacht. Wir haben uns von der Behauptung einschüchtern lassen, Deutschland werde abgehängt, wenn nicht auch wir die Finanzmärkte deregulieren."

"Zu Recht brandmarken sie das Auseinanderdriften von Arm und Reich"

Global wächst die Wut auf die Finanzbranche. Am Samstag haben zum ersten Mal Menschen in aller Welt gegen die Macht der Banken demonstriert. Allein in Deutschland protestierten Zehntausende für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit. In Rom und in London kam es am Rande der Demonstrationen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Mehrere tausend Menschen gingen in einer Vielzahl deutscher Städte auf die Straße. Allein an der zentralen Demonstration vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main nahmen bis zu 6000 Menschen teil. Beteiligt waren unter anderem das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Bewegung "Occupy Frankfurt" ("Besetzt Frankfurt"). Die Polizei sprach von 5000 Teilnehmern, Attac von 6000 Protestierenden. In Berlin zogen nach Angaben von Attac 8000 bis 10.000 Menschen zum Bundeskanzleramt. Bundesweit waren es laut Attac 40.000 Demonstranten.

SPD, Linke, Grüne und Gewerkschaften haben die Protestaktionen gegen die Auswüchse des Kapitalismus begrüßt. "Zu Recht brandmarken sie das Auseinanderdriften von Arm und Reich", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, am Samstag. Der Protest Tausender, zumeist junger Menschen sei ein "Alarmsignal". Abseits demokratischer Legitimation und ohne Verantwortungsbewusstsein spalteten Investmentbanken die Gesellschaft.

Ausschreitungen in Rom

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, ihre Partei unterstütze die weltweiten friedlichen Proteste gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte. Die SPD kämpfe für eine stärkere Kontrolle der Finanzwirtschaft. Sie forderte eine private Gläubigerbeteiligung bei der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise und eine Finanztransaktionssteuer, "damit nicht immer nur der einfache Steuerzahler für die Folgen der Krise aufkommen muss".

In Europa protestierten Kritiker des internationalen Finanzsystems unter anderem in London, Madrid, Rom, Brüssel und Den Haag. Am Rande der größten Demonstration Europas mit laut Medienberichten bis zu 200.000 Teilnehmern in Rom kam es zu Ausschreitungen. Auch in London kam es zu Rangeleien mit den eingesetzten Polizeikräften, als einige der etwa 800 Demonstranten sich in Richtung der abgesperrten Börse bewegten. Aus Angst vor Ausschreitungen wie im August war in der britischen Hauptstadt ein riesiges Polizeiaufgebot im Einsatz.

"Die jungen Menschen haben ein Recht darauf, empört zu sein", sagte der künftige EZB-Chef Mario Draghi laut italienischen Medienberichten am Rande des G-20-Finanzministertreffens in Paris. "Sie sind wütend auf die Finanzwelt. Ich verstehe sie." Zugleich forderte er, dass die Demonstrationen nicht ausarten dürften.

Vorbild für die Demonstrationen sind die Proteste in den USA, wo Kritiker des Finanzsystems seit Wochen auf einem Platz nahe der New Yorker Börse unter dem Motto "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") gegen die Macht der Banken protestieren. Dort sollten am Samstagabend wieder Proteste stattfinden. Am Vortag waren dort in der Nähe der Wall Street 14 Menschen nach Zusammenstößen mit der Polizei festgenommen worden; USA-weit waren es rund 50 Festnahmen.

suc/dpa/AFP

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