DNN/LVZ, 07.11.2011
Linke Suche nach Ausgleich und interner Versöhnung
Parteitag in Bautzen: Landeschef Gebhardt präsentiert sich als Schlichter / Heimliche Bewerbungsrede von Dietmar Bartsch
Bautzen. Es gibt Parteitage, wo auf den ersten Blick wenig passiert. Programme werden beschlossen, Kandidaten gewählt - alles nach Plan. Erst beim zweiten Blick wird sichtbar, wie heftig Parteigänger hinter den Kulissen ringen. Genau so verlief das Treffen der sächsischen Linken am Wochenende in Bautzen. Die Führungstruppen der unterschiedlichen Lager versuchten sich in Position zu bringen für die Auseinandersetzungen der Zukunft, Landeschef Rico Gebhardt zum Beispiel, aber auch Dietmar Bartsch, der Fraktionsvize im Bundestag.
Beides hat einen einfachen Grund. Auf Bundes- wie auf Landesebene ist die Stimmung bei den Linken angespannt. Mäßig waren die Ergebnisse bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen und Hessen, und die Urnengänge bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Berlin gingen gar vollends daneben. Hinzu kommen Dauerquerelen und umstrittenes Führungspersonal. "Wir haben ein Personalproblem, im Bund und auch auf Landesebene", sagte ein Parteimitglied hinter vorgehaltener Hand in Bautzen.
Entsprechend werteten nicht wenige den Auftritt von Bartsch beim mitgliederstärksten Landesverband in Bautzen als verkappte Bewerbungsrede im Bund. Dabei geht es um die Ablösung der Chef-Linken Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. Hier präsentierte sich Bartsch als Versöhner, der einer zerrissenen Linken den Weg weist. "Unser politischer Einfluss ist zurückgegangen", sagte er nicht zufällig. Und: "Es gibt ein großes Bedürfnis nach Geschlossenheit in der Linken."
Ganz ähnlich agiert Gebhardt in Sachsen. Als Landeschef gibt er seit Monaten den parteiinternen Schlichter, der - wie einst Peter Porsch - die Flügel einbindet und zu befrieden versucht. Dazu passt, dass er in Bautzen eindringlich vor einer Spaltung warnte. Auseinandersetzung ja - Diffamierung nein, so lautete sein Credo. Letzteres wäre "der Weg hin zu einer Splittergruppe, deren gesellschaftliche Wirkung gen Null gehen würde". Und eben dem stellt Gebhardt das entgegen, was er "radikal linke Realpolitik" nennt.
Damit setzte er sich halbwegs souverän durch. Immerhin 79 Prozent der Delegierten sprachen sich in der Abstimmung für ihn als Landeschef aus, vor zwei Jahren waren es noch 77,2. Damit hat Gebhardt die eigene Zielmarke von "80 plus x" zwar knapp verfehlt, doch das lag eher an einem Missgeschick der Parteitagsregie. Die hatte übersehen, dass die rund 15 Mitglieder der Mandatsprüfungskommission bei der Wahl nicht im Saal waren; mit deren Stimmen, so die Spekulation, wären die 80 Prozent locker möglich gewesen.
Auf Ausgleich gestimmt ist auch die neue zweiköpfige Stellvertreterriege. So setzte sich der eher "linke Linke" Stefan Hartmann mit 71,4 Prozent gegen Michael Matthes durch, der von den Leipziger Traditionalisten ins Feuer geschickt worden war. Cornelia Falken holte ohne Gegenkandidat 66,5 Prozent. Im Gegensatz zu Hartmann gilt diese eher als Vertreterin der tradierten Linken.
Doch auf den Gängen in Bautzen ging es auch um die Zukunft von Fraktionschef André Hahn. Im März stehen Neuwahlen an, und wer sich dann durchsetzt, dürfte auch Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2014 werden. Hier hat Gebhardt mit seinen knapp 80 Prozent schon mal ein erstes Zeichen gesetzt.
Jürgen Kochinke