Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 18.11.2011 um 17:44 Uhr, 19.11.2011

Hymne auf die Mörder "Döner-Killer"

Menschenverachtende Hasstiraden
 
Die Band heißt Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten, sie ist rechtsextrem - und bejubelte schon 2010 in einem Lied den "Döner-Killer". Hatte der Texter also Insider-Wissen? Experten halten das für unwahrscheinlich, empfehlen den Ermittlern aber eine genaue Untersuchung.

Hamburg - Seine Musik sei "Anklage und Kampfansage zugleich", sagte Daniel Giese einst dem NPD-Blatt "Deutsche Stimme". Giese, Spitzname Gigi, ist Frontmann der Rechtsrockgruppe Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten. Die Lieder der Band richten sich gegen all jene, für die Rechtsextreme nur Hass übrig haben: Einwanderer, Punker, Juden, Politiker. Ihre Musik ist eine Kampfansage an ein System, von dem er schon lange nichts mehr erwarte, "außer dem totalen Niedergang", so Giese.

Die Band sei Synonym für "menschenverachtenden Hetztiraden", schreibt Ingo Steimel 2008 in seiner Doktorarbeit "Musik und die rechte Subkultur". Und nun wird sogar über eine Verbindung zur Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) spekuliert. Im Lied "Döner-Killer" thematisiert die Band die vergebliche Suche der Ermittler nach den Tätern. Das Lied erschien 2010 auf dem Album "Adolf Hitler lebt!", das wegen Volksverhetzung indiziert wurde. Im Liedtext heißt es:

"Neunmal hat er bisher brutal gekillt,
doch die Lust am Töten ist noch nicht gestillt.
Profiler rechnen mit dem nächsten Mord.
Die Frage ist nur wann und in welchem Ort."

Das Lied feiert zynisch den Tod der neun Opfer - zu einem Zeitpunkt, als kaum jemand von einem rechtsextremistischem Hintergrund ausging. Das hat die Frage aufgeworfen, ob die Band die Mordserie lediglich für ihre Zwecke propagandistisch ausschlachtete. Oder wusste sie mehr über das Verbrechen?

"Ästhetisierung von Gewalt"

Kenner der rechtsextremen Musikszene glauben das nicht. "Ich halte es für sehr problematisch, auf ein mögliches Täterwissen zu schließen", sagt der Autor Jan Raabe ("RechtsRock"), der sich seit Jahren mit dem Milieu beschäftigt. Der Erscheinungstermin des Liedes - vier Jahre nach dem letzten bekannten Mord der Verbrechensserie - sei "verwunderlich". Der Text enthalte aber "keine Passagen, die direktes Täterwissen offenbaren".

Generell sei es durchaus ungewöhnlich, dass einzelne Taten konkret besungen würden, so Raabe. Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten scheinen daran allerdings Gefallen zu haben. "Lebt denn der alte Mannichl noch", sangen sie nach dem Messerangriff auf den früheren Passauer Polizeichef Alois Mannichl. Auch in seinem Fall wurde ein rechtsextremistischer Hintergrund vermutet - und trotzdem habe man nicht vom Lied auf Täterwissen geschlossen, so Raabe.

"Generell ist es in der Szene üblich, Gewalt in Liedtexten zu verherrlichen", sagt David Begrich von Miteinander e.V. Der Verein setzt sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit ein. Im Rechtsrock-Milieu werde Gewalt offen propagiert, es gehe bei dieser Musik um eine "Ästhetisierung von Gewalt", so Begrich. Er glaube aber nicht, dass man vom Lied "Döner-Killer" auf Täterwissen schließen könne. "Das halte ich für sehr unwahrscheinlich."

Tatsächlich geben die Informationen im Liedtext keinen Aufschluss über Insider-Wissen, jeder konnte sie der Berichterstattung über die Mordserie entnehmen. Etwa, wenn genüsslich ausgebreitet wird, dass Ermittler "keinen Hinweis und kein Tatmotiv" hatten.

Strafrechtlich nicht relevant

Ob die Band über die "NSU" Bescheid wusste, sollten die Ermittler dennoch auf jeden Fall untersuchen, sagt Raabe. Giese stammt aus Niedersachsen, wo auch die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe nach ihrem Abtauchen an Veranstaltungen teilgenommen haben soll, und ist seit Jahren in der Szene verankert.

"Bekannte und erfolgreiche (Schlager-)Melodien werden mit Texten u.a. über Aussteiger, Israel, Panzer, Kinderschänder und Staatsschutz versehen und transportieren jetzt extremistische Inhalte", heißt es über Gieses Musik im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2008. Ein Jahr später notierten die Beamten, Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten und Gieses frühere Band Stahlgewitter fänden "in ganz Deutschland große Beachtung in der rechtsextremistischen Szene".

Giese, Mitglied weiterer Rechtsrock-Bands wie Saccara", habe in der Szene den "Status eines Popstars", heißt es in Steimels Doktorarbeit. Wie sehr Bands wie Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten in die Gedankenwelt von Rechtsextremen passen, zeigen Kommentare in Nazi-Foren, etwa auf Thiazi, der mit rund 20.000 Mitgliedern wohl größten und prominentesten rechtsextremen Plattform im Internet. "Döner-Killer" sei eine "recht sachliche Ausbreitung der zu diesem Fall der Öffentlichkeit bekannten Fakten", schrieb dort der Benutzer "Von Thronstahl" im Juni 2010.

Angesichts der letzten Zeilen des Liedes klingt das wie Hohn:

"Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken.
Der Döner bleibt im Halse stecken,
denn er [der "Döner-Killer", Red.] kommt gerne spontan zu Besuch,
am Dönerstand, denn neun sind nicht genug."

Das sächsische Landeskriminalamt überprüfte "Adolf Hitler lebt!", nachdem die Chemnitzer Plattenfirma PC-Records das Album veröffentlicht hatte. "Ja, wir haben eine CD begutachtet und einige Titel zur Indizierung vorgeschlagen", sagte eine LKA-Sprecherin am Freitag. "Döner-Killer" habe sich nicht darunter befunden. Der Inhalt des Titels sei strafrechtlich nicht relevant.

Von Hendrik Ternieden und Benjamin Schulz

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: