Karl Nolle, MdL

Agenturen dapd, 17:00 Uhr, 22.11.2011

Tillich reagiert auf Neonazi-Mordserie

Ministerpräsident drückt Opfern Mitgefühl aus - Opposition kritisiert späte Erklärung
 
Dresden (dapd-lsc). Erstmals seit den Enthüllungen um die rechtsextreme Terrorgruppe aus Zwickau hat sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu den Vorfällen geäußert. In einer Erklärung sprach der CDU-Politiker am Dienstag den Angehörigen sein «tief empfundenes Beileid» aus. «Wir stehen Ihnen in Ihrer Trauer bei», versicherte Tillich. Dass die drei mutmaßlichen Täter über zehn Jahre hinweg morden konnten und es bis vor kurzem eine Ungewissheit über die Hintergründe gab, müsse alle Menschen in Deutschland «zutiefst beschämen».

Abseits der aktuellen Erkenntnisse rund um die Zwickauer Terrorzelle äußerte sich Tillich auch zum allgemeinen Problem des Rechtsextremismus. Die Bekämpfung einer «fehl geleiteten Gesinnung», die den Taten erst den Boden bereitet habe, sei genau so wichtig wie die Aufklärung. «Wir brauchen einen großen gesellschaftlichen Konsens, um rechtsradikale politische Strömungen an der Wurzel zu bekämpfen», sagte der Ministerpräsident. Es schade dem Freistaat und der gesamten Bundesrepublik, wenn in der Welt der Eindruck entstehe, «hier könnte eine Gesinnung Platz greifen, von der wir hofften, sie ein für alle Mal überwunden zu haben».

Nach Ansicht der sächsischen Opposition hat sich Tillich zu spät zu dem Fall der Terrorgruppe aus Sachsen geäußert. «Ich hätte den Ministerpräsidenten dazu gern in den vergangenen Tagen gehört und nicht erst heute», sagte SPD-Fraktions- und Parteichef Martin Dulig. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Hermenau bezeichnete es als «überfällig», dass sich der CDU-Politiker an die Opfer der Terrorzelle wendet.

In der Sache warf Hermenau der Staatsregierung eine «dramatische Unterschätzung der Gefahr von rechts» vor. Während der vorwiegend friedliche Protest gegen Neonazi-Aufmärsche rund um den 13. Februar kriminalisiert worden sei, habe sich das Terror-Trio «unbehelligt» in Sachsen aufhalten können. SPD-Chef Dulig warf der Staatsregierung vor, an der Aufklärung der Fälle «erschreckend unbeteiligt» zu sein.

Koordinierungsstelle beim LKA

Innenminister Markus Ulbig (CDU) gab bekannt, dass bereits am 12. November, einen Tag, nachdem die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen hat, beim sächsischen Landeskriminalamt eine zentrale Ermittlungs- und Koordinierungsstelle eingerichtet wurde. Diese habe die Aufgabe, das Bundeskriminalamt bei den Ermittlungen zu unterstützen. Der von vielen Seiten aufkommenden Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden wollte sich Ulbig nicht anschließen.

Landespolizeipräsident Bernd Merbitz sprach hingegen von einer Zäsur für die Behörden. Die zehn Jahre, in denen die Terrorgruppe unbehelligt agiert habe, müssten aufgeklärt werden und Folgen haben. Konsequenzen für die Struktur seiner Behörde seien möglich. «Es geht nicht spurlos an uns vorbei», sagte Merbitz.

Unterdessen räumten Ulbig und Merbitz ein, dass die sächsische Polizei im Jahr 2000 mit verdeckten Ermittlern nach den damals bereits untergetauchten drei Terrorverdächtigen gesucht hat. Es habe damals eine Observation von vermeintlichen Kontaktpersonen in Chemnitz gegeben, sagte Ulbig. Dies habe allerdings keine Erkenntnisse zum Verbleib von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gebracht, die bereits 1998 untergetaucht waren.

Nach Angaben von Merbitz hat die Observation «wenige Tage» gedauert. Sämtliche Informationen seien an die damaligen Ermittler in Thüringen übermittelt worden. Eine Observation der drei mutmaßlichen Mörder habe es hingegen nicht gegeben, sagte Merbitz.

Am Mittwoch will Ulbig auch vor dem sächsischen Landtag eine Erklärung zur rechtsextremistischen Terrorzelle abgeben.

dapd/wol/kos /1
221700 Nov 11

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