Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 26.11.2011

Das braune Netzwerk

Die NPD hat weit größere Kontakte zur militanten Neonazi-Szene, als sie glauben machen will
 
Leipzig. Die NPD versucht, sich in der Öffentlichkeit von militanten Neonazis zu distanzieren, sich ein Saubermann-Image zu verpassen. Zumindest offiziell. Hinter dieser Fassade sammeln sich jedoch militante Neonazis, die offen ihre nationalsozialistische Ideologie verbreiten dürfen. Im Internet wird deutlich, wie eng die Kontakte tatsächlich sind - und wie der Verfassungsschutz die gewaltbereite Szene unterschätzt.

"Hoffmann spricht in Leipzig". In großen Lettern kündigt der einstige An­führer der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) auf seiner Internet-Seite den eigenen Auftritt an. Und führt auch aus, worum es ihm am heutigen Sonnabend gehen wird: "Die ehemalige WSG im Spiegel der Zeitgeschichte", "Das Problem der globalen Überbevölkerung und die Auswirkungen auf unseren Lebensraum", schreibt Karl-Heinz Hoffmann unter anderem. Jener Hoffmann, den in der rechten Szene ein Mythos des Militanten einrahmt, der als erster Terror-Neonazi gehuldigt wird.

Dass der 74-Jährige ausgerechnet jetzt, im Umfeld der Zwickauer Neonazi-Bande, und ausgerechnet im Leipziger NPD-Zentrum in der Odermannstraße auftreten wird, ist nicht nur ein Affront zu all den aktuellen Diskussionen über Rechtsextremismus - sondern zeigt auch die Nähe von Partei, Freien Kameradschaften und Rechtsterrorismus, als dessen Apologet Hoffmann lange Zeit galt und nicht wenigen noch gilt. Immerhin begann auch die braune Terrorzelle aus Zwickau ihre Neonazi-Karriere bei der Kameradschaft Jena. Auf einem Nährboden, der bis heute existiert. Nicht nur in Thüringen.

Die Verbindungen zwischen NPD und Freien Kameradschaften sind dabei fließend - auch wenn sich die Partei offiziell zu distanzieren versucht. Während der neue Parteichef, Holger Apfel aus Sachsen, in seinem ersten Mitglieder-Rundschreiben von einer öffentlichen Kampagne, die eine Kriminalisierung zum Ziel habe, spricht, und eine Profilierung als "Kümmererpartei" anmahnt - Zitat: "Das gelingt uns nur, wenn wir Vertrauen schaffen, wenn wir nicht als Sektierer oder Bürgerschreck auftreten" -, sind nicht wenige NPD-Protagonisten, vor allem aus der Nachwuchsorganistaion JN, auch im Freien Netzwerk (FN) involviert.
Einer von ihnen ist Manuel Tripp. Der 22-Jährige sitzt für die NPD im Geithainer Stadtrat, studiert Jura an der Universität Leipzig. Er verkörpert nach außen das, was Apfels Zielvorgabe entspricht: Tripp gilt als umgänglich, adrett, gepflegt, gescheitelt. Auf seiner Internet-Seite als Stadtrat tut der Parteigänger etwaige Jugendsünden folgendermaßen ab: "Anfangs sehr rebellisch und motiviert von jugendlichem Leichtsinn, später taktisch und besonnen, begann ich den Kampf für die gute Sache, einem besseren Deutschland." Womit sich Tripp hinter dieser verharmlosenden Fassade befasst, machen diverse Auftritte gemeinsam die den Freien Kräften Borna-Geithain und auch Einträge in Internet-Foren deutlich.
Bei der letzten Rede von Karl-Heinz Hoffmann vor gut einem Jahr im Gasthof Zollwitz (bei Colditz, Kreis Leipzig) traten die Freien Kräfte nicht nur als Veranstalter auf, sondern Tripp organisierte die An- und Abfahrt seiner etwa hundert Kameraden. Diese kamen aus den bekannten FN Borna-Geithain, Nordsachsen und Jena. Aus Teilnehmerkreisen heißt es, Hoffmann habe ­referiert, dass es einer "disziplinierten militärischen Organisationsform" bedürfe, um eine als Vorbild dienende Gegenwelt aufzubauen.

Plattformen im Internet, die als passwortgeschützte Treffpunkte genutzt werden, organisieren sich die gewaltbereiten Neonazi-Kameradschaften. Beiträge aus einem gehackten Forum zeigen, wie eng die Kontakte tatsächlich sind, wie gezielt Rechtsextremisten die Partei benutzen. "Die Parole lautet von nun an: Weg von der ,Jugendorganisation', weg vom Bild der ,Junior-NPD' und hin zur Kampfgemeinschaft im vorpolitischen Raum, hin zur bundesweiten Formation politischer Soldaten! Heil Deutschland", schreibt ein gewisser Manuel in einem dieser Netzwerke - und einiges legt nahe, dass es sich um einen Stadtrat aus Geithain handelt. Zuvor hatte Tripp bereits öffentlich erklärt: "Der nationale Sozialismus kann nicht gewählt oder erbettelt werden. Er kann nur auf dem Weg der Revolution erkämpft werden." Daneben führt ein Forum-Mitglied namens Feldgrau aus, bei dem es sich sehr offensichtlich um einen Führer der sächsischen JN und ehemaligen Leipziger Stadtratskandidaten handelt: "Wir sind ja Nationalsozialisten ... Meine Mutterpartei? Also ich glaube nicht das ich die NPD so bezeichnen würde ... Sie ist für mich lediglich Werkzeug im politischen Kampf." Ein Anderer, der als NPD-Kandidat bei den Kommunalwahlen 2009 in Sachsen-Anhalt antrat, propagiert: Es gehe um die Bildung einer NS-Ersatz-Organisation - und definiert auch gleich deren Leitbilder. Es ließen sich etliche solcher Beiträge anführen.

Der Verfassungsschutz Sachsen stufte das Freie Netz in seinem jüngsten Bericht als Internetportal ein, das der Szene als Schaufenster diene - in dem man sich lediglich austausche. Beim genaueren Hinsehen hätte dem Geheimdienst auffallen können, dass es daneben um den Aufbau von Strukturen geht, um gezielte Aktionen, insbesondere gegen Andersdenkende. Berater von Opfern rechtsextremer Gewalt in Sachsen kritisieren schon lange, dass der Verfassungsschutz das braune Netzwerk gewaltig unterschätzt. Rechtsextremismus-Forscher und auch Praktiker, etwa vom Kulturraumbüro Sachsen, sehen das genauso: Sie halten das Freie Netz für das zentrale Forum der militanten Neonazi-Szene.

Welche Weltanschauung dabei unters Volk transportiert werden soll, wird ebenfalls im Internet klar. So heißt es bei den Freien Kräften Borna-Geithain unter dem Stichpunkt "Programm der nationalen Bewegung" unter anderem: "Ein in sich geeintes deutsches Volk hat die Existenz der weißen Völker vom Atlantik bis zum Ural zu sichern. Daraus sind neue Formen und In­halte einer zukünftigen Reichspolitik abzuleiten. ... Die biologische Gesunderhaltung unseres Volkes nach den wissenschaft­lichen Erkenntnissen der Evolution, Genetik und Verhaltensforschung." Die Parallelen zur Propaganda à la Hitler und Goebbels sind eindeutig. Thorsten Heise, bis vor kurzem im Führungskreis der NPD, aus Thüringen bekannte in einem Interview zu den Morden der Zwickauer Terror-Zelle: "Jeder in der nationalen Bewegung weiß, dass das die falsche Adresse ist, um seinen Ausländerhass abzuladen." Einzeltaten könnten das Problem nicht lösen.
Ein ähnliches Bild vermittelt die Nordsachsen-Fraktion der NPD - inklusive der Freien Kräfte. Der aus der rechts­extremistischen Kameradschaftsszene stammende Kreischef Maik Scheffler habe sich vorgenommen, Nordsachsen zu einer NPD-Musterregion zu machen, hat die Politikwissenschaftlerin Ellen Esen festgestellt. Unter anderem versuche er, vermehrt Jugendstützpunkte zu errichten und Teile der Freien Kräfte in die NPD zu überführen. Unter seiner Führung werden Kader akquiriert und etabliert. Ein letztes Beispiel: Ralf Wohlleben, der ehemalige Pressesprecher und NPD-Landesvize in Thüringen. Er war wie das Terror-Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Teil der Kameradschaft Jena, die weiterhin verfügbare Internetseite der Nachfolgeorganisation Nationaler Widerstand Jena ist auf seine Postadresse angemeldet.

Wer bisher nicht glauben mochte, dass es Menschen gibt, die den Nationalsozialismus verherrlichen und die NPD für die Verbreitung der NS-Ideologie nutzen, muss nur die Aussagen im Internet lesen. Übrigens: Am 13. August 2011 hielt Josef Keifel, ein verurteilter Bombenleger, auf Einladung des NPD-Kreisverbandes Leipzig einen Vortrag. Nun wird also mit Karl-Heinz Hoffmann nachgelegt. Im Internet ruft dieser die Linke zum zahlreichen Erscheinen auf und verspricht zynisch: "Es wird Euch kein Haar gekrümmt werden." Um teilnehmen zu dürfen, muss man sich allerdings beim NPD-Nachwuchs registrieren lassen; die JN entscheidet dann auch, wer genehm ist. Andreas Debski


Karl Nolle im Webseitentest
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