Karl Nolle, MdL

spiegel.online, 07:43 Uhr, 30.11.2011

Gewaltbereite Szene - Rechtsextreme horteten mehr als 800 Waffen

 
Die Ermittlungen gegen Rechts konzentrieren sich auf die Zwickauer Terrorzelle - Waffenfunde zeigen, wie gewaltbereit die Szene insgesamt ist. Laut einem Zeitungsbericht haben Fahnder in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Waffen beschlagnahmt, darunter Sprengsätze und Kriegsgerät.

Berlin - Rechtsextrem motivierte Gewalttäter besitzen offenbar beachtliche Waffenarsenale. Innerhalb von zwei Jahren haben Ermittler 811 Waffen bei Rechtsextremen beschlagnahmt, darunter Dutzende Spreng- und Brandsätze, diverse Schuss- und Kriegswaffen sowie Hunderte Hieb- und Stichwaffen. Das geht aus einer aktuellen Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, berichtet die "Berliner Zeitung". Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 2009 und 2010.

Konkret sind in dem Dokument laut Bundeskriminalamt aufgelistet:

•15 Faustfeuerwaffen
•16 Langwaffen
•8 Kriegswaffen
•40 Spreng- und Brandvorrichtungen
•210 Reizgaswaffen, etwa Pfeffersprays
•331 Hieb- und Stichwaffen

Zudem wurden in dem Zeitraum 34-mal Gas-, Luft- und Schreckschusswaffen sichergestellt. "Immer mehr Waffenfunde bei Neofaschisten beweisen, dass die militante Rechte massiv aufrüstet", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, dem Blatt.

Auch organisatorisch rüsten die Rechtsextremen offenbar auf: Im Bereich der rechtsextrem motivierten Kriminalität sind laut Bundesinnenministerium seit 2001 elf Fälle von kriminellen Vereinigungen und acht Fälle von terroristischen Vereinigungen registriert. Laut Statistik der Bundesanwaltschaft werden seit dem Jahr 2001 gegen 13 Gruppierungen Verfahren wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung geführt.

Parlamentarisches Kontrollgremium beschäftigt sich mit Fahndungspannen

Die Veröffentlichung der Antwort des Innenministeriums kommt zu einem pikanten Zeitpunkt: Die Arsenale der Neonazis dürften auch bei der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums an diesem Mittwoch eine Rolle spielen. Am Mittag kommt das Gremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste in geheimer Sitzung zusammen, um sich erneut mit den Pannen von Polizei und Verfassungsschutz bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie zu beschäftigen. Danach steht eine nicht-öffentliche Sitzung des Bundestagsinnenausschusses an.

Erst am Dienstag hatten die Ermittler einen langjährigen NPD-Funktionär als mutmaßlichen Helfer des Zwickauer Terror-Trios gefasst. Der 36-jährige Ralf Wohlleben sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord vor. Unter anderem soll er der Gruppe von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe eine Schusswaffe und Munition besorgt haben.

Bei den Ermittlungen zu dem Terror-Trio führen Spuren offenbar auch in die Schweiz. Die drei Zwickauer Rechtsterroristen sollen bei einem Urlaub auf der Insel Fehmarn ein Auto mit Schweizer Kennzeichen benutzt haben, berichtet der MDR Thüringen unter Berufung auf Ermittler. Grundlage seien Aussagen von Zeugen, welche die drei Terroristen auf Fehmarn kennengelernt hatten. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hatten seit 2005 mehrmals Urlaub auf der Ostseeinsel gemacht. Mehrere Urlaubsbekanntschaften hätten sich bei der Polizei gemeldet. Nach Recherchen des Senders gibt es seit Jahren Verbindungen aus der Schweiz in die rechtsextreme Szene Thüringens.

Anwaltverein kritisiert Zögerlichkeit der Ermittlungsbehörden

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich soll inzwischen den Gesetzentwurf für eine umfassende Neonazi-Datei vorgelegt haben. Der CSU-Politiker will "Verdächtige, Beschuldigte, Täter oder Mittäter einer politisch rechts motivierten Gewalttat mit extremistischem Hintergrund" sowie Personen, die als "Anstifter oder Gehilfe einer solchen Tat in Erscheinung getreten sind", in die Datenbank aufnehmen, zitiert die "Welt" aus dem Gesetzentwurf.

Die Datenbank wird von vielen Beobachtern als Schritt zu einem effektiveren Kampf gegen Rechtsextremismus gesehen. Allerdings hilft die Datenbank nichts, wenn die Ermittlungsbehörden zu zögerlich handeln und rechtsextreme Straftaten nicht erkennen oder als solche benennen. Das hat der Deutsche Anwaltsverein (DAV) beklagt. Bei Gewaltverbrechen ermittelten die Fahnder nur sehr zögerlich in Richtung eines rechtsextremen Hintergrunds, sagte DAV-Hauptgeschäftsführer Cord Brügmann.

Neben den rechten Gewalttaten existiere in Deutschland zudem ein alltäglicher Rassismus. "Rechtsextremismus kommt nicht nur in Springerstiefeln daher", sagte Brügmann. Eine vom DAV gegründete Stiftung hat nach eigenen Angaben bisher mehr als 300 Opfer rechtsextremer Gewalt betreut.

ulz/dpa/dapd/AFP

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