Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 19:13 Uhr, 02.12.2011

Zwickauer Terrorzelle - DVD deutet auf Verbindung zu Brandanschlägen hin

 
Auf zehn von Migranten bewohnte Häuser in Völklingen wurden in den vergangenen Jahren Brandanschläge verübt. Einen fremdenfeindlichen Hintergrund erkannten die Behörden nicht. Nun wird erneut ermittelt: Eine DVD der Zwickauer Terrorzelle tauchte in einer Moschee des Ortes auf.

Saarbrücken - Zwischen mehreren Straftaten im Saarland und der rechtsextremen Terrorzelle gibt es offenbar einen Zusammenhang. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) gibt es Verbindungen zwischen der Gruppe und einer Anfang September vorerst geendeten Serie von Brandstiftungen mit hauptsächlich türkischen Opfern im saarländischen Völklingen.

Der Zeitung zufolge erhielt die Selimiye-Moschee in Völklingen die zwölfte DVD, die Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November an verschiedene Organisationen und Medien verschickte. Das saarländische Landeskriminalamt wurde am 28. November über den Eingang der DVD informiert.

Die zehn Brandstiftungen zwischen dem 3. September 2006 und dem 3. September 2011 in Völklingen richteten sich gegen Wohngebäude im Zentrum der Stadt, in denen vor allem türkischstämmige Einwanderer, aber auch Araber und Schwarzafrikaner lebten. Bei den Bränden wurden 20 Personen verletzt, es entstand hoher Sachschaden. In allen Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt, die Polizei hatte nach eigenen Angaben keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund.

Die Stadt mit knapp 40.000 Einwohnern ist seit Jahren eine Hochburg der NPD, die im Stadtrat sitzt. Auch Freie Kameradschaften sind in Völklingen aktiv. Auf Anweisung von Innenminister Stephan Toscani und der für Justiz zuständigen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) werden nach dem von einem türkischen Brandopfer erhobenen Vorwurf der einseitigen Ermittlung die Fälle noch einmal überprüft; auch ein mögliches Fehlverhalten der Polizei soll dabei untersucht werden.

Der saarländische Generalstaatsanwalt Ralf-Dieter Sahm sagte der Zeitung, ein rechtsextremer Hintergrund sei nicht auszuschließen, sondern eher wahrscheinlich. Bei der Aufklärung werde man auch dem Verfassungsschutz die "eine oder andere Frage stellen".

Ermittler prüfen Verbindung zu Anschlag auf Wehrmachtsausstellung

Zudem hat sich dem "FAZ"-Bericht zufolge möglicherweise auch eine Verbindung zwischen der Terrorzelle und dem Bombenanschlag auf die Wehrmachtsausstellung 1999 in Saarbrücken ergeben. In einem Drohschreiben, das nach dem Bombenanschlag bei den Behörden einging, fanden sich Hinweise, die auf einen ostdeutschen Verfasser deuten.

Generalstaatsanwalt Sahm sagte der Zeitung, dass in dem Schreiben etwa die Abkürzung O.U. auftauche. Die Volkspolizei habe dieses Kürzel für das in der DDR, aber auch in der Wehrmacht und im Deutschen Heer gebräuchliche Wort "Ortsunterkunft" verwendet.

Ein Journalist, der jetzt noch einmal befragt werden soll, will zudem damals kurz nach der Tat zwei Männer und eine Frau im Alter zwischen 20 und 25 Jahren beobachtet haben, die sich mit dem Anschlag gebrüstet hätten. Bei ihrem Untertauchen Ende 1998 war Zschäpe in diesem Alter.

Eine weiteres Indiz in dem Fall könnte nach Ansicht der Justiz darin bestehen, dass der als Unterstützer der Gruppe in Niedersachsen festgenommene Holger G. an Demonstrationen gegen die in der rechtsextremen Szene besonders verhasste Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" teilgenommen haben soll.

Neonazis sollen Plastiksprengstoff für Terroristen besorgt haben

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zur Terrorzelle werden möglicherweise um einen weiteren Verdachtsfall erweitert. Die Staatsanwaltschaft Gera will ein seit 2010 laufendes Verfahren an die Bundesanwaltschaft übergeben, in dem sechs Neonazis aus Thüringen die Beschaffung von Plastiksprengstoff zur Last gelegt wird. Das berichtete der "Tagesspiegel".

Eine mögliche Verbindung zu den Ermittlungen gegen die Zwickauer Terrorgruppe ergibt sich dem Bericht zufolge über einen der sechs Beschuldigten in dem Geraer Verfahren, den ebenfalls aus Jena stammenden Neonazi André K. Er habe die mutmaßlichen Rechtsterroristen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gekannt. Zudem gelte K. als Weggefährte des am Dienstag in Jena festgenommenen Ex-NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben, dem die Bundesanwaltschaft die Unterstützung der Terrorbande vorwirft.

Bei den Ermittlungen um die Zwickauer Terrorzelle gibt es zudem offenbar neue Hinweise auf ein Versagen der Behörden. In kürzlich aufgetauchten Dokumenten gebe es etwa ein halbes Dutzend Aktenvermerke, in denen sich Fahnder des thüringischen Landeskriminalamts über Behinderungen der Ermittlungen beschwerten. Das meldete die "Thüringer Allgemeine" unter Berufung auf eine vertrauliche Sitzung des Thüringer Justizausschusses. Zwischen 2000 und 2002 wurden demnach mehrere Chancen verpasst, die Verdächtigen festzunehmen. Bereits vor zwei Wochen hatte der MDR Vorwürfe gegen das LKA erhoben, eine geplante Festnahme kurz vor dem Zugriff abgesagt zu haben.

ulz/wit/Reuters/dapd

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