Karl Nolle, MdL

SUPERillu, 50/2011, Seite 17, 08.12.2011

Vom Frust eines Fahnders

Ein Staatsschützer aus Brandenburg erzählt anonym, wie wenig Fahnder von Polizei und Verfassungsschutz beim Kampf gegen Rechtsradikale kooperieren. Und an was das liegt.
 
Die Frage, wie es die drei Jenaer Neonazis von der Terrortruppe „NSU“ schaffen konnten, jahrelang unbemerkt zu morden, ist immer noch ungeklärt. Was lief schief? Haben die Sicherheitsbehörden versagt?

Ein Mitarbeiter des polizeilichen Staatsschutzes in Brandenburg, der anonym bleiben will, sieht im Gespräch mit SUPERillu große Defizite insbesondere bei der Zusammenarbeit der staatlichen Ermittlungsorgane, die rechtsextreme Umtriebe aufklären sollen. Es geht zum Beispiel um den Fall von Maik E. aus Grabow bei Brandenburg. Er ist der Bruder des jetzt inhaftierten André E., der für die Neonazi-Terroristen der NSU ein Bekennervideo hergestellt haben soll.

Die Anklage. Maik E. agierte offen als Neonazi, hatte in Dahmsdorf bei Potsdam ein ehemaliges LPG-Grundstück gemietet, auf dem rechtsradikale Musikgruppen wie die Potsdamer Band „Redrum“ oder Uwe Menzel („Uwocaust“) Konzerte gaben. 2008 gründete er in der Sporthalle einer Potsdamer Schule einen „Stützpunkt“ der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationale“ JN, der sich ungefähr 20 junge Leute anschlossen.

Der Staatsschützer: „Auf seinem Hof in Grabow war viel los. Oft standen zehn und mehr Fahrzeuge da, meist mit Kennzeichen aus Sachsen. Die Brandenburger Staatsschützer fanden zwar mittels Halterüberprüfung noch heraus, dass viele der sächsischen Fahrzeugbesitzer wegen rechtsradikaler Taten vorbestraft waren. Der Staatsschützer: „Doch viel mehr erfuhren wir nicht, denn eine Zusammenarbeit mit den sächsischen Behörden gab es praktisch nicht.“ Selbst das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz hätte gegenüber den polizeilichen Staatsschützern mit Informationen geknausert. „Die haben uns nichts erzählt. Und wir denen deshalb auch nicht. Obwohl wir beide die rechtsradikale Szene beobachteten.“ Vonseiten der polizeilichen und politischen Führung habe auch gar kein großes Interesse bestanden, möglichst viele rechtsradikale Straftaten zur Anzeige zu bringen. „Da dominierte die Furcht vor bösen Schlagzeilen in denen wieder mal steht, dass die Zahl rechtsextremer Delikte in Brandenburg stetig steigt.“ Es habe die stillschweigende Vereinbarung gegeben, die Rechtsradikalen in Ruhe zu lassen, solange sie nicht öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten.

Die Reaktion. Ingo Decker, Sprecher des Brandenburger Innenministeriums, widerspricht den Vorwürfen des Staatsschützers. Zu´Maik E. habe es einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Landes gegeben, auch die Verfassungsschutzbehörde des Landes habe sich mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und anderen Landesverfassungsschutzbehörden ausgetauscht. Auch deckele man nicht, sondern betreibe seit Jahren eine „offensive Informationsstrategie“.

Die Folgen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will als Lehre aus den Pannen eine bundesweite zentrale Erfassung von gewaltbereiten Rechtsextremisten einführen, in die polizeiliche Staatsschützer genau wie die Schlapphüte vom Verfassungsschutz aus Bund und Ländern ihre Erkenntnisse einbringen. Eine ähnliche zentrale Erfassung gibt es bereits bei gewaltbereiten Islamisten. Auch Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sieht Bedarf. Die Schaffung einer Zentraldatei sei ein vernünftiger Ansatz. „Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden muss verbessert werden“, räumt er ein.

Von SUPERillu-Chefreporter Gerald Praschl

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