Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 10:36 Uhr, 21.12.2011

SPD wirft Wulff Guttenberg-Taktik vor

 
Die Wahrheit nur scheibchenweise servieren: SPD-Mann Sebastian Edathy wirft Christian Wulff vor, dieselbe Salamitaktik wie Guttenberg anzuwenden. Zuvor hatte der Anwalt des Bundespräsidenten bestätigt, dass Egon Geerkens doch an der Vergabe des umstrittenen Privatkredits beteiligt war.

Köln - Der niedersächsische SPD-Innenexperte Sebastian Edathy wirft Bundespräsident Christian Wulff in der Affäre um dessen Privatkredite und Urlaubsreisen vor, die Wahrheit nur scheibchenweise bekanntzugeben. "Er gibt immer nur das zu, was man ihm nachweisen kann", sagte Edathy im Deutschlandfunk. Damit unterschätze Wulff nicht nur die Dimension des Vorgangs, sondern schade dem Ansehen seines Amtes.

Zudem zog Edathy Parallelen zum Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs, der als Verteidigungsminister erst auf massiven Druck hin zurücktrat. Wulffs Verhalten ähnele dem des CSU-Politikers, nachdem Vorwürfe um abgeschriebene Passagen in dessen Doktorarbeit laut geworden waren: "Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gebe Missverständnisse, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen."

Täglich wüchsen die Zweifel, "ob der Bundespräsident der Vorbildfunktion gerecht wird", sagte Edathy zu der Online-Ausgabe des Handelsblatt. Der SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte, die Bürger erwarteten von ihrem Bundespräsidenten Orientierung und Autorität. "Das ist solange nicht gegeben, wie er im politischen Zwielicht steht."

Zuvor hatte Wulff über seinen Anwalt erstmals einen SPIEGEL-Bericht bestätigen lassen, wonach der Unternehmer Egon Geerkens an den Kreditverhandlungen seiner Frau mit dem Bundespräsidenten beteiligt war. In der Tageszeitung "Die Welt" vom Mittwoch erklärte Anwalt Gernot Lehr, die "Modalitäten" seien "gemeinsam besprochen", das Darlehen dann aber von Edith Geerkens gewährt worden. Derweil erhielt Wulff weitere Rückdeckung von Koalitionspolitikern.

In einer schriftlichen Stellungnahme an die "Welt" schrieb Lehr, der "Darlehensgewährung" sei eine Suche des Ehepaars Wulff nach einer geeigneten Immobilie vorausgegangen. Geerkens sei hierbei "aufgrund seines besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen eingebunden" gewesen. "In diesem Zusammenhang ging die Initiative für ein Privatdarlehen von Frau Edith Geerkens aus. Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt."

Unionspolitiker fordern Ende der Debatte

Dem SPIEGEL gegenüber hatte der Unternehmer Egon Geerkens schon Tage zuvor gesagt, dass er an den Kreditverhandlungen seiner Frau Edith mit Bundespräsident Wulff maßgeblich beteiligt war. Wulff hatte dazu tagelang geschwiegen.

Die Grünen im Landtag hatten im Februar 2010 nach geschäftlichen Beziehungen zwischen Wulff und dem Unternehmer gefragt. Wulff ließ daraufhin erklären, dass er mit Geerkens und dessen Firmen "in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen" unterhalten habe.

Am Dienstag war Wulff weiter in Erklärungsnot geraten, als bekannt wurde, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer die Rechnung für die Werbung für ein Interview-Buch in Höhe von 42.731,71 Euro aus seinem Privatvermögen beglichen hatte. Laut "Bild"-Zeitung wurden Anzeigen, mit denen im Herbst 2007 während des Landtagswahlkampfs für das Wulff-Buch "Besser die Wahrheit" geworben wurde, von Maschmeyer bezahlt. Im Ältestenrat des niedersächsischen Landtags scheiterte am Dienstag indes ein Antrag der Opposition auf eine erneute Prüfung von Wulffs Kreditgeschäften.

In der schwarz-gelben Koalition will man die Debatte um Wulff nun abwürgen: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte der "Berliner Zeitung", er habe "volles Vertrauen zu diesem Bundespräsidenten". Zudem handle es sich bei den Vorwürfen "eher um Stilfragen".

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, forderte ein Ende der Debatte. "Aus Respekt vor dem Amt sollte die Diskussion unverzüglich eingestellt werden", sagte Hasselfeldt der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Wulff habe in den vergangenen Tagen einen beachtlichen Beitrag zur Aufklärung der gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe geleistet. Ähnlich äußerte sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). "Bundespräsident Wulff hat alles offen gelegt und für Transparenz gesorgt", sagte Aigner der "Rheinischen Post".

Bei der Staatsanwaltschaft Hannover gingen inzwischen vier Anzeigen gegen den früheren Ministerpräsidenten ein. "Die Staatsanwaltschaft hat vier Anzeigen vorliegen, die überprüft werden", sagte der Behördensprecher in Hannover der Nachrichtenagentur dpa. In den Anzeigen geht es den "Stuttgarter Nachrichten" zufolge vermutlich um den Vorwurf der Vorteilsannahme. Die Staatsanwaltschaft muss jede Anzeige prüfen, die bei ihr eingeht.

anr/dapd/AFP

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: