tageschau.de, RBB, ARD-Hauptstadtstudio, 22.12.2011
Erklärung des Bundespräsidenten - Ein Paukenschlag war das nicht
Endlich ist sie da - die längst überfällige öffentliche Erklärung des Bundespräsidenten. Persönlich, mit Reue, grundsätzlich, ein wenig staatstragend zwar, aber durchaus glaubhaft. Bedrückt stand Christian Wulff vor der Hauptstadtpresse, fast ein wenig angeschlagen sah er aus. Aber immerhin er nahm Stellung, klar getrennt von seiner Weihnachtsansprache. Richtig so. Vom Auftritt und Ton dem obersten Amt im Staate angemessen.
Nur leider viel, viel zu spät. So bleibt auch nach Wulffs persönlicher Stellungnahme ein großes Fragezeichen: Warum hat er mit dieser Entschuldigung nur so lange gewartet? Deshalb: Ein Paukenschlag war das nicht. Zumal Wulff keinerlei Einzelheiten erläutert. Stattdessen entlässt er seinen langjährigen Weggefährten, Vertrauten und Sprecher Olaf Glaeseker. Seinen "Einflüsterer", wie es heißt, aber ohne ein Wort der Begründung. Warum? Soll da auch etwas vertuscht werden?
Merkwürdige Personalentscheidung
Fühlt sich Glaeseker für das ungeschickte Krisenmanagement, die Salamitaktik, der vergangenen Tage verantwortlich, dann lässt sich das doch öffentlich erklären. Oder musste der Schnitt gemacht werden - zwischen Hannover und jetzt Bellevue, um möglichen neuen Verstrickungen zuvor zu kommen? Merkwürdig ist diese Personalentscheidung, und sie macht misstrauisch. Das fordert geradezu dazu auf, tiefer zu bohren. Und sie legt den Verdacht nahe, aus dem Gespann Wulff - Glaeseker lässt sich mehr herausholen. Das "System Hannover" bleibt damit nebulös und haftet weiter an Christian Wulff.
Ganz ausgestanden ist die Sache also noch nicht. Und seine kurze, gerade mal vier Minuten andauernde, persönliche Erklärung ersetzt auch nicht die politische Aufarbeitung, vor allem in Niedersachsen. Sicher, der Hype in den Medien hat einen ersten Dämpfer bekommen. Wulff hat persönlich signalisiert: Kommt mal wieder runter. Und in der Sache hat er recht: Alle bislang bekannten Vorwürfe wiegen nicht so schwer, als dass ein Rücktritt zwingend wäre. Aber das wissen am Ende auch die Kritiker. Und darum werden sie weiter bohren, um neue pikante Details ans Licht zu bringen. Sie werden also so schnell nicht locker lassen. Zumal der Frust über Wulff nur ein Ventil ist. Denn nicht allein der Bundespräsident steht in der Kritik, vielmehr ist es die komplette Regierung. Vielleicht sogar die gesamte politische Klasse.
Die Finanzkrise, Europa - all das erfordert Orientierung in besonderem Maße. Die aber bekommen die Bürger immer seltener. Keine Erklärungen, stattdessen Schweigen und Abwarten - das ist nicht nur die Devise des Bundespräsidenten in eigener Sache. Sondern so handeln fast alle Politiker. Und das beschädigt die Demokratie. Hier also kann Wulff jetzt Vorbild sein. Indem er als Staatsoberhaupt allen zeigt, warum er im Amt bleiben muss.
Von Silke Engel, RBB, ARD-Hauptstadtstudio