Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 17:11 Uhr, 30.12.2011

Kreditaffäre des Bundespräsidenten: Geerkens soll Wulff Bankkontakt vermittelt haben

 
Lange Zeit wollte sich die BW-Bank nicht zum umstrittenen Privatkredit für Christian Wulff äußern - jetzt hat sie erstmals Details veröffentlicht. Demnach lief der Darlehenskontakt über den Unternehmer und engen Wulff-Freund Egon Geerkens.

Stuttgart - Ein Gespräch zwischen Egon Geerkens und einem Kundenberater der BW-Bank war offenbar der erste Schritt auf dem Weg zum umstrittenen Kredit des Geldhauses für Christian Wulff. Die Bank, die bislang stets erklärt hatte, sich nicht zu "dieser Kundenbeziehung" zu äußern, legte an diesem Freitag erstmals Details zu dem Darlehen vor.

"Herr Wulff hat sich im Herbst 2009 telefonisch bei der BW-Bank gemeldet auf Empfehlung von Herrn Egon Geerkens. Dem ging ein Gespräch von Herrn Geerkens mit einem Kundenberater der BW-Bank voraus", teilte die Bank in Stuttgart mit. Am 21. März 2010 sei der erste Darlehensvertrag mit Wulff abgeschlossen worden. Geerkens ist ein enger Freund Wulffs.

Der bisher kurzfristig refinanzierte Geldmarktkredit sei nun in ein langfristiges Darlehen geändert worden, teilte die Bank weiter mit. Der entsprechende Vertrag sei a, 15. Dezember an Wulff versandt worden, der ihn am 21. Dezember 2011 unterschrieben zurückgeschickt habe. Es bestehe ein üblicher Tilgungsplan. Die Darlehensgewährung sei voll besichert. Der Aufsichtsrat und der Vorstand der BW-Bank seien in die Vergabe der Darlehen nicht eingebunden gewesen.

Nach Angaben von Wulffs Anwalt wurde der Zinssatz für das neue Darlehen bereits ausgehandelt, bevor der erste umstrittene Kredit in die Kritik geraten ist. So sei der Zinssatz für das jüngste Darlehen am 25. November 2011 zwischen Wulff und der BW-Bank "fixiert" worden, sagte Wulffs Anwalt Gernot Lehr der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Ein Banksprecher bestätigte auf Anfrage, dass an diesem Tag der neue Zinssatz schriftlich vereinbart wurde.

Mit dem günstigen ersten Kredit der BW-Bank hatte Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident das Privatdarlehen der Unternehmergattin Edith Geerkens in Höhe von 500.000 Euro abgelöst. Die Zinsen für den Privatkredit sollen ursprünglich lediglich 0,9 bis 2,1 Prozent betragen haben und damit um die Hälfte niedriger als bei der Immobilienfinanzierung normaler Kunden gewesen sein.

Aufsichträtin Blind: Kreditvergabe an Wulff hat ein "G'schmäckle"

Zu den Konditionen und bankinternen Kalkulationen machte die Bank allerdings weiterhin keine Angaben. Sie verwies auf das Geschäfts- und Bankgeheimnis. Die Aufsichtsgremien der Bank würden über die Darlehensvergabe umfassend informiert, hieß es.

Der Kredit beschäftigt seit kurzem auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Ihren Angaben zufolge liegen zwei Anzeigen gegen Verantwortliche der BW-Bank vor, in denen es um mögliche Untreue im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an den Bundespräsidenten geht.

Nach Ansicht der Aufsichtsrätin Roswitha Blind soll sich der Aufsichtsrat der BW-Bank allerdings wesentlich früher als geplant mit der Kredit-Affäre befassen. In der "Frankfurter Rundschau" forderte Blind, die auch SPD-Fraktionschefin im Stuttgarter Gemeinderat ist, eine Sondersitzung Anfang des Jahres - der reguläre Termin am 30. April sei viel zu spät. Es müsse geklärt werden, ob Bankmitarbeitern Untreue vorzuwerfen und ob bei der Kreditvergabe alles mit rechten Dingen zugegangen sei. "Das hat ein G'schmäckle", sagte Blind, wenn eine Bank von allen Kunden so wenig Zinsen verlangte wie von Wulff, dann wäre sie bald pleite.

Der Kredit beschäftigt seit kurzem auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Ihren Angaben zufolge liegen zwei Anzeigen gegen Verantwortliche der BW-Bank vor, in denen es um mögliche Untreue im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an den Bundespräsidenten geht.

Die Baden-Württembergische Bank ist eine rechtlich unselbständige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Landesbank Baden-Württemberg und darf Kredite nur unter Kriterien vergeben, die in der Satzung der Landesbank festgelegt sind. Als untreu gilt laut Strafgesetzbuch, wer die ihm obliegende Pflicht verletzt, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen.

Staatsrechtsprofessor rechnet mit Ermittlungen

Der Staatsrechtsprofessor Hans Herbert von Arnim kommt laut einer Vorabmeldung der "Welt am Sonntag" in einem Fachaufsatz zu dem Ergebnis, dass staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Bundespräsident Wulff unausweichlich seien. Er sei sich ziemlich sicher, dass Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe, schreibt von Arnim demnach. Der zinsgünstige Privatkredit von Unternehmergattin Edith Geerkens entspreche einem geldwerten Vorteil von "mindestens 20.000 Euro", zitiert die "Welt am Sonntag" aus dem Aufsatz des Juristen.

Der Wert des Geschenks spreche dafür, dass in diesem Fall "eine Zuwendung in Bezug auf das Amt" vorliege, urteilt von Arnim. Außerdem habe Wulff den Kredit immer wieder verheimlicht. Verheimlichungsversuche spielten juristisch bei der Bewertung des Sachverhalts eine "erhebliche Rolle." Laut Zeitungsbericht kommt von Arnim zu dem Ergebnis, dass die Annahme des Kredits zugleich auch einen strafrechtlichen Verstoß wegen Vorteilsnahme im Amt darstellt. Deswegen hält der Jurist staatsanwaltliche Ermittlungen für unausweichlich.

Wulff hatte zuletzt Bedauern über seinen Umgang mit der Kreditaffäre geäußert. Er hätte Details über den umstrittenen Privatkredit für sein Einfamilienhaus dem niedersächsischen Landtag offenlegen müssen. "Das war nicht gradlinig und das tut mir leid", hatte Wulff gesagt. Er wolle die "erforderliche Transparenz" herstellen, dies gelte sowohl für das Privatdarlehen als auch für die Verträge mit der BW-Bank über den Ablösekredit.

hen/nck/dpa/dapd/Reuters

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