Agenturen, dapd, 17:12 Uhr, 12.01.2012
SPD will zweigleisige Untersuchung der Neonazi-Mordserie
Ausschuss und Kommission sollen Ermittlungspannen aufdecken
Berlin (dapd-lsc). Die SPD will die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle zweigleisig untersuchen. Wie Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Donnerstag in Berlin mitteilte, sollte nach Ansicht der SPD sowohl ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Bundestag als auch eine Bund-Länder-Expertenkommission auf Regierungsebene eingesetzt werden. Er hoffe auf eine fraktionsübergreifende Zustimmung. Derweil signalisierten Vertreter der Fraktionen, einen Ausschuss befürworten zu wollen.
Die Bund-Länder-Expertenkommission sollte laut Oppermann bis Ende August einen Bericht über die Ermittlungspannen in den Ländern und über mögliche Fehler an den Schnittstellen zwischen Bundes- und Landesstellen vorlegen. Der Untersuchungsausschuss sollte sich zunächst auf die Fehler im Bund konzentrieren und sich dann ab August mit den Ergebnissen der Kommission befassen. Er solle als «Legislativ- und Empfehlungsenquete» eingesetzt werden.
Oppermann erwartet Entscheidung am Freitag
Am Freitag kommen die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen zusammen, um über die Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses zu beraten. Oppermann erwartet bei dem Treffen eine Entscheidung für einen Untersuchungsausschuss. Der Antrag könnte dann bereits in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden, sagte Oppermann.
Der Untersuchungsausschuss dürfe kein «klassisches Kampfinstrument zwischen Regierung und Opposition» werden, warnte Oppermann. In dem aufzuklärenden Zeitraum seien alle Parteien mit Ausnahme der Linken in der Regierung gewesen. Die Aufklärung der Vorkommnisse sei eine «gesamtgesellschaftliche Aufgabe». Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zurecht gesagt, dass der Fall eine «Schande für Deutschland» sei, deshalb müsse «das gesamte Parlament an der Untersuchung beteiligt werden».
CSU, Grüne und Linke befürworten Ausschuss
Die CSU kündigte an, der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zustimmen zu wollen. Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Stephan Mayer, sagte der Nachrichtenagentur dapd, er erwarte bei dem Treffen der Parlamentarischen Geschäftsführer eine «generelle Einigung». Einen konkreten Untersuchungsauftrag werde es wohl aber noch nicht geben.
Auch die Grünen befürworten einen Ausschuss. Bei den Versäumnissen im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorzelle handele es sich um den «größten Skandal der Sicherheitsbehörden in Deutschland», sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der Nachrichtenagentur dapd. Über zehn Jahre habe es bei den Behörden «systematisches Versagen und Ignoranz» gegeben. «So etwas muss mit den Mitteln eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufgeklärt werden, weil das ganze Land daraus lernen muss.»
Die Einsetzung sei ein «Muss», sagte Künast. Im Zweifel wollten die Grünen einen Antrag dazu im Alleingang ins Parlament einbringen. Mit Blick auf die Pläne Oppermanns warnte Künast, die Einsetzung einer Kommission dürfe nicht dazu führen, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses eingeschränkt werde. Ähnlich äußerte sich der Justitiar der Linken, Wolfgang Neskovic.
Hintergrund ist die Mordserie der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die Sicherheitsbehörden machen die Gruppe, die als Zwickauer Terrorzelle bekannt wurde, für bundesweit neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft, einen Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn und zwei Bombenanschläge in Köln verantwortlich. Das Trio lebte mehr als 13 Jahre nahezu unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund.
Auch im thüringischen Landtag soll ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, um mögliche Versäumnissen der Landesbehörden im Freistaat aufzudecken.
Von Johann Tischewski und Joachim Peter
dapd/cjt/jop/kos
121712 Jan 12