Agenturen, dapd, 16:50 Uhr, 07.02.2012
Umstrittene Handydaten-Abfrage beschäftigt Bundestagsausschuss - Rechtsausschuss hört Experten an - Linke wollen Datenabfrage abschaffen
Umstrittene Handydaten-Abfrage beschäftigt Bundestagsausschuss - Rechtsausschuss hört Experten an - Linke wollen Datenabfrage abschaffen (neu: Stellungnahmen der Experten, Details zu Gesetzentwürfen) --
Berlin (dapd-lsc). Kurz vor den erwarteten Neonazi-Aufmärschen in Dresden debattiert der Rechtsausschuss des Bundestages über die umstrittene Massenabfrage von Handydaten. Diese Praxis der Polizei bei den Kundgebungen und Gegendemonstrationen 2011 hatte für heftige Kritik gesorgt. Die Linksfraktion will die Datenabfrage verbieten, die Grünen wollen sie einschränken. Am Mittwoch (8. Februar) hört der Rechtsausschuss dazu Experten an. Vorab äußerten sich mehrere eingeladene Staatsanwälte skeptisch zu den Gesetzentwürfen.
Bei der sogenannten Funkzellenabfrage kann die Polizei nach richterlichem Beschluss bei Telekommunikationsfirmen die Daten von Handys abfragen, die sich zu einem bestimmten Zeitraum im Empfangsgebiet eines Mobilfunksenders - in einer Funkzelle - befanden. Im Februar 2011 waren in Dresden auf diese Weise mehr als eine Million Handydaten von Demonstranten, Anwohnern, Journalisten und Politikern erfasst worden, was auf heftige Kritik stieß. Sachsens Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Dresden schließen auch dieses Jahr eine Funkzellenabfrage nicht aus.
Die Linken wollen nun die Möglichkeit, Daten von Handys innerhalb eines bestimmten Zeitraums und Gebiets abzufragen, abschaffen. Ihr Gesetzesentwurf fordert «die ersatzlose Streichung dieser Maßnahme aus dem Katalog möglicher Verfolgungsinstrumente». Die Funkzellenabfrage greife «massiv» in die Grundrechte ein, insbesondere in das Fernmeldegeheimnis.
Auch die Grünen beklagen, dass die derzeitige Regelung «nur unzureichend geeignet» sei, «erhebliche Grundrechtseingriffe zu begrenzen». Sie fordern unter anderem, dass ein Richter, der die Funkzellenabfrage erlaubt, dies detailliert begründet. Auch soll die Datenabfrage erst beim Verdacht auf schwerere Straftaten als bisher möglich sein.
Warnung vor Einschränkung der Strafverfolgung
Mehrere zur öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss eingeladene Staatsanwälte lehnten beide Gesetzesentwürfe ab. Die aktuelle Rechtslage sei «nicht zu beanstanden», heißt es etwa in der vorab veröffentlichten Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts in Leipzig, Hans Strobl. Er beklagte, die Gesetzesentwürfe zeigten «ein durchaus bemerkenswertes, jedoch nicht gerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der richterlichen Unabhängigkeit und der Integrität der Staatsanwaltschaften gegenüber Verfassungswerten».
Der Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Robert Schnabl, warnte: «Durch die vorliegenden Gesetzentwürfe würde die Strafverfolgung erheblich eingeschränkt.» Auch der Göttinger Oberstaatsanwalt Stefan Studenroth schrieb, die Funkzellenabfrage sei «ein taugliches und erfolgreiches Instrument der Strafverfolgung». Der derzeitigen Regelung sei «die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze einschließlich der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht abzusprechen».
Dagegen kritisierte der Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg die Datenabfrage als «verdachtslosen Grundrechtseingriff mit großer Streuweite». Er lobte den Gesetzentwurf der Linken, der «einen wirksamen Grundrechtsschutz verspricht».
(Gesetzentwurf der Linken: http://url.dapd.de/iyz1mv; Gesetzentwurf der Grünen: http://url.dapd.de/APhSyc; Stellungnahmen der Sachverständigen: http://url.dapd.de/p3lwXR)
Von Christina Neuhaus
dapd/cne/vf/
071650 Feb 12