DNN/LVZ, 23.02.2012
Treibjagd auf Merbitz? - Landespolizeipräsident und Innenminister Ulbig sind sich nicht unbedingt grün
Dresden. Landespolizeipräsident Bernd Merbitz hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) oft die Show gestohlen. Dem kommt nun der Wirbel um Merbitz' angebliche Tricksereien beim Kilometergeld nicht ungelegen.
Eine unschöne Geschichte innerhalb seines Hauses. Dennoch war es Innenminister Ulbig am Dienstag nicht eben unangenehm, auf das Fahrtenbuch seines Polizeichefs angesprochen zu werden. Auf der Pressekonferenz, bei der es eigentlich um etwas anderes hätte gehen sollen, gab Ulbig sachlich Auskunft, dass es "unterschiedliche Auffassungen" über einige Fahrten gebe, die Landespolizeipräsident Bernd Merbitz als dienstlich angeführt hätte. Von einem gestörten Verhältnis zwischen beiden Männern könne keine Rede sein, so Ulbig. Auch stehe es ihm nicht an, "Rechtspositionen eines Mitarbeiters öffentlich zu diskutieren." Sprach der Minister, lächelte und ging.
Jene, die um das seit Jahren schwierige Verhältnis beider Männer wissen, fragen sich nun, ob das den finalen Bruch bedeutet. Haben sie jetzt "offenen Streit"? Hat Ulbig zur "Treibjagd auf Merbitz" geblasen? Sicher ist: Sachsens oberster Polizist hat seinem Minister schon oft die Show gestohlen. Zuletzt Ende November, als Ulbig zu den Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU Stellung bezog. Der Minister saß der Presse gegenüber und konnte nur Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit ausstrahlen. Neben ihm Merbitz, mit der selbstgewissen Attitüde des erfahrenen Ermittlers, der bereits vor Jahren vor Terrorismus aus der braunen Ecke gewarnt hatte.
Dafür genießt der 56-jährige CDU-Mann selbst bei den Linken Respekt. Deren Innenpolitiker Rico Gebhardt bezeichnet Merbitz als einen Mann mit "unbestrittener Fachkenntnis", der eben "mentalitätsbedingt" auch mal mit der "eher an Akten orientierten Ministerialbürokratie" aneckt. Selbst der
SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der Merbitz öfter wegen dessen SED-Vergangenheit attackierte, räumt ein, Merbitz habe sich "in Sachen Rechtsradikalismus unbestrittene Verdienste erworben".
Dennoch war Merbitz immer ein umstrittener Mann, spätestens seit er 2007 Landespolizeipräsident wurde. Damals erinnerten Kritiker, allen voran Nolle, daran, dass Merbitz bis zur Wende SED-Mitglied war und sich bei der DDR-Volkspolizei bis zum Major hochgedient hatte. Auch machten sich manche Gedanken, warum der "Vorkämpfer gegen den Rechtsextremismus in Sachsen" seine Leitungsfunktion bei der Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko Rex) verlor, die er selbst aufgebaut hatte. Merbitz war schon zwei Jahre lang Landespolizeipräsident, als er 2009 einen neuen Dienstherrn bekam. Ulbig, den freundlichen Pirnaer Oberbürgermeister, über den oft gesagt wird, er könne sich zwischen den hartgesottenen Ermittlern nicht recht durchsetzen. Sein zentrales Projekt ist das große Reformwerk "Polizei 2020" - für Ulbig ein großes Zukunftsprogramm, das allerdings für etliche Polizeiposten im Lande das Aus bedeutet. Offenbar liegt hierin auch die Ursache für einen ernsthaften Streit zwischen Minister und Polizeichef.
Gerüchten zufolge soll Merbitz in Kollegenkreisen die Polizeireform schlecht gemacht haben - und damit auch Ulbig. Da kann die nun bekannt gewordene Disziplinarangelegenheit wegen falsch deklarierter Dienstfahrten als Revanche gedeutet werden. Unstimmigkeiten gibt es auch darüber, ob das Disziplinarverfahren noch läuft - wie Ulbig sagt - oder nach Merbitz' Auffassung längst eingestellt wurde.
Im Nachhinein ist es kaum allerdings kaum nachzuvollziehen sein, wann der Beschuldigte mit seinem Dienstfahrzeug als Bernd Merbitz oder als Polizeipräsident unterwegs war. Ulbig sagt, er sieht dem Urteil des parallel laufenden Gerichtsverfahrens "mit Spannung entgegen". Merbitz sagt, er wundere sich, warum auf einmal seine Fahrtenbücher von 2007 bis 2009 geprüft werden. Die CDU Leipzig Nordost fordert Fairness im Umgang mit Merbitz, der "ein exzellenter Polizist" sei und "viel für die Sicherheit in Sachsen" getan habe.
Von Christine Keilholz