Karl Nolle, MdL

nd - neues deutschland, 24.02.2012

Beschluss zu Sachsens Handyaffäre öffentlich.

MdL Karl Nolle veröffentlichte Beschlüsse des Dresdner Amtsgerichts auf seiner Homepage.
 
Berlin (nd). Ein Jahr nach der umstrittenen Funkzellenabfrage im Rahmen der Anti-Nazi-Proteste in Dresden sind Unterlagen zu dem Fall veröffentlicht worden: Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle veröffentlichte zwei Beschlüsse des Dresdner Amtsgerichts auf seiner Homepage. Auf diese geht die Erfassung von über einer Million Verbindungsdaten von zehntausenden Menschen in Dresden zurück. Das Vorgehen der sächsischen Ermittler hatte 2011 für den größten Datenskandal der letzten Jahrzehnte gesorgt. Am Donnerstag ging zudem Post der Staatsanwaltschaft beim »nd« ein. Die Behörde bestätigt darin, dass auch die Telefonnummern von nd-Redakteurinnen und -redakteuren, die über die teilweise heftigen Proteste berichteten, erfasst wurden.

http://www.karl-nolle.de/dokumentation/texte/id/11265

Interview:  Ermittler ohne jedes Maß?

Sönke Hilbrans zur Dresdner Funkzellenabfrage im Februar 2011. Sönke Hilbrans ist Mitglied im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. Fragen: Hendrik Lasch.

• Der sächsische SPD-Politiker Karl Nolle hat den Beschluss des Amtsgerichts Dresden veröffentlicht, mit dem am 18. und 19. Februar 2011 an drei Stellen in Dresden bis zu 24 Stunden lang Funkzellen abgefragt wurden. So sollte gegen eine kriminelle Vereinigung ermittelt werden, deren Mitglieder im Sommer 2010 Nazis überfallen haben sollen. Rechtfertigen so etwas eine Funkzellenabfrage?

Die Begründung der Beschlüsse trägt die Anordnungen nicht. Das liegt weniger am Delikt selbst als daran, dass es an jeder Überlegung dazu fehlt, warum diese Maßnahme zu dieser Zeit an diesem Ort irgendetwas Wesentliches zur Aufklärung beitragen sollte.

• Funkzellenabfragen stehen unter einem Richtervorbehalt. Ist das Gericht dem gerecht geworden?

Leider in wesentlichen Punkten gar nicht. Der Richter wird nicht bloß der Form halber eingeschaltet, sondern damit er als unabhängige Stelle die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme prüft. Dabei muss er eine nachvollziehbare Begründung seiner Anordnung geben. Die jetzt bekannt gewordenen Beschlüsse reihen dagegen Einzelfälle und Wertungen aneinander, ohne verdachtsbegründende Tatsachen und Zusammenhänge darzulegen und ohne die Folgen abzuwägen.

• Kann eine so großräumige Abfrage in einer Großstadt verhältnismäßig sein?

Nein. Das ganze Ausmaß der Funkzellenabfragen mit Hunderttausenden Datensätzen zu Zigtausenden Betroffenen ist ja schon lange bekannt. Mit viel technischem Aufwand die Stecknadel im Heuhaufen suchen zu wollen, mag aktueller kriminalistischer Standard sein, aber hier geht es nicht um einen Heuhaufen, sondern um Zigtausende von Grundrechtsträgern, sensible Grundrechte und mit den Versammlungen am 19. Februar auch um ein politisches Großereignis.

• Zu Protesten gegen Naziaufmärsche wurden viele Tausende Menschen erwartet. Hätte das Gericht das berücksichtigen müssen?

Dieser Umstand hätte spätestens klar machen müssen, dass zu viele Menschen In Mitleidenschaft gezogen werden. Aber auch ohne Großkundgebungen wäre eine Funkzellenabfrage über diese Dauer unverhältnismäßig.

• Unter den Demonstranten waren Abgeordnete, Rechtsanwälte und Journalisten. Hätte das Gericht ihren Telefonverkehr schützen müssen?

Während intensiv an immer neuen Verfeinerungen bei den Überwachungsmethoden gearbeitet wird, scheint es für dieses Problem noch keine einfachen Lösungen im Handel zu geben. Wer in Zukunft weiterhin massenweise Funkzellen abfragen will, sollte auch in der Lage sein, Anschlüsse von Berufsgeheimnisträgern zu ermitteln und entsprechend zu schützen. Die bessere Lösung ist freilich, solche Massenerhebungen ganz zu unterlassen.

• Wie sehen Sie die Abfrage mit dem Abstand von einem Jahr?

Es ist und bleibt eine beunruhigende Vorstellung, dass massenhaft Daten, die Auskunft über Personen- und Kommunikationszusammenhänge unter den Demonstranten geben, ausgerechnet in strukturorientierte Ermittlungen nach § 129 StGB eingeflossen und auch zu anderen Ermittlungen verwendet worden sind.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: