Sächsische Zeitung, 01.03.2012
Untersuchungsausschuss zu Neonazi-Terror kommt
Das Gremium soll klären, warum das Zwickauer Trio so lange unerkannt in Sachsen leben konnte. Die Koalition sieht das mit Skepsis. Blockiert interner Streit die Aufklärung?
Beate Zschäpe wird nicht kommen. Anders als in Thüringen, wo der dortige Landtagsuntersuchungsausschuss die mutmaßliche Rechtsterroristin befragen will, verzichten sächsische Abgeordnete wohl darauf. Das Gremium dazu hätten sie allerdings: Gestern stellten Linke, SPD und Grüne ihren gemeinsamen Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ vor. Da die Opposition genügend Stimmen hat, wird der Ausschuss zum Neonazi-Trio voraussichtlich in der kommenden Woche vom Landtag eingesetzt.
„Der Untersuchungsausschuss muss klären, warum Sachsen Ruhe- und Rückzugsraum für Rechtsterroristen war“, sagte der Grünen-Abgeordnete Miro Jennerjahn. Das Gremium soll, so weit das möglich ist, klären, wieso die sogenannte Terrorzelle im Freistaat nicht zerschlagen wurde. In Chemnitz und Zwickau lebten die drei Thüringer dreizehn Jahre unbehelligt. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sich offenbar gegenseitig töteten, raubten zehn Banken im Freistaat aus. In Chemnitz kauften sie illegal eine Pistole. Sachsen war die Basis für die rassistisch motivierte Mordserie an in Deutschland lebenden Griechen und Türken. Zehn Menschen wurden dabei erschossen.
Eine Frage drängt sich auf: Warum haben Sicherheitsbehörden das Trio nicht gestoppt? Auch das soll der Untersuchungsausschuss aufarbeiten. „Dort geht es um die in der Regel öffentliche Aufklärung des Versagens von Behörden wie Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Nazi-Terror“, sagte der Linken-Abgeordnete Klaus Bartl. Und SPD-Frau Sabine Friedel ergänzte: „Der Freistaat Thüringen und der Bundestag haben bereits Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Es ist höchste Zeit, dass endlich auch Sachsen seinen Teil zur Aufklärung beiträgt.“
Ob das tatsächlich gelingt, ist vor der ersten Sitzung vollkommen unklar. Was tun, wenn sächsische Akten beim Ausschuss in Berlin benötigt werden? Das Problem scheint zwar lösbar, es ist aber nicht das einzige. Die Opposition war lange zerstritten über Umfang und Art des Gremiums. Sollten rechtsextremistische Straftaten generell oder vor allem die des Terrortrios untersucht werden? Braucht es einen zeitaufwendigen Untersuchungsausschuss oder kann die Arbeit an ein bereits bestehendes Gremium angegliedert werden? Dazu kommt verschärfend, dass CDU und FDP den Ausschuss ablehnen. Vor allem die Christdemokraten, die nach landtagsinterner Regelung den Vorsitzenden stellen, sehen die geheim tagende und kleinere parlamentarische Kontrollkommission als geeigneten Aufklärungsort.
Vieles spricht momentan dafür, dass der 19 Mitglieder starke U-Ausschuss eher zum politischen Kampfinstrument mutiert anstatt Aufklärungsarbeit zu leisten. Das wäre vor allem traurig für die Angehörigen der zehn Ermordeten, auf die Jennerjahn gestern als einziger und zu Recht hinwies.
Nicht gerade entspannt wird die Lage dadurch, dass auch die rechtsextreme NPD in dem Gremium vertreten ist. „Sie kann dadurch an Erkenntnisse gelangen, die man ihr besser vorenthalten sollte“, sagte der CDU-Abgeordnete Günther Schneider. Offensichtlich spekuliert die NPD auf Erkenntnisse über V-Leute. An jenen scheiterte bereits ein Verbot der Partei 2003. „Wir erhoffen uns Informationen, die ein Verbotsverfahren in unserem Sinne entschärfen“, sagte der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel.
Von Thilo Alexe