Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 09.03.2012

Braun gegen Braun: Stramme Kameraden legen NPD-Parteiämter nieder. Ihnen ist der Kurs des neuen Chefs offenbar zu lasch. Demontieren sich die Rechtsextremen selbst?

 
Ist es nur ein Polit-Scharmützel oder der Auftakt für einen brachialen Richtungskampf unter Rechtsextremisten? In jedem Fall ist es eine blamable Nachricht für die NPD. Die Mitglieder des Kreisvorstandes der Partei im Landkreis Leipzig haben ihre Ämter niedergelegt. Ganz offensichtlich ist den Kameraden der Kurs des neuen NPD-Landeschefs Mario Löffler zu bürgerlich. Ihr Schritt dürfte sich auch gegen den neuen Bundeschef Holger Apfel und dessen Kurs einer „seriösen Radikalität“ richten.

Den Ex-Vorständlern aus der Region Leipzig schlägt intern offener Hass entgegen. Der NPD-Landesvorstand wirft ihnen „Sabotage“ der Parteiarbeit vor. „Der langjährige Kreisvorsitzende Marcus Müller führte den Kreisverband zuletzt als privaten Klüngelverein mit lausiger Verwaltung, ohne aktive Mitgliederwerbung und Interessentenbetreuung“, heißt es in einer Mitteilung der Sachsen-NPD. Der geschäftsführende Parteivorstand um Löffler begrüße die Ämterniederlungen „ausdrücklich“.

„Spannungen verstärkt“

Der Konflikt hat sich seit Längerem angebahnt. „In der rechtsextremistischen NPD haben sich in den vergangenen Monaten die Spannungen verstärkt“, heißt es in einer Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes vom Februar. Nach Erkenntnissen des Geheimdienstes kritisierten nationale Aktivisten den neuen Bundeschef Holger Apfel, weil der seiner Partei Distanz „zu extremen Auswüchsen am rechten Rand“ verordnet. Dieser Unmut trifft auch den aus dem Erzgebirge stammenden Löffler. Der Nachfolger Apfels als Landeschef der Rechtsextremisten war immerhin sechs Jahre CDU-Mitglied und steht für eine Annäherung ans konservative Milieu.

Kann die NPD eine Art bürgerliche Protestpartei nach dem Vorbild rechtspopulistischer Parteien wie etwa in Frankreich oder Österreich werden? Oder soll sie Heimat bieten für freie, neonationalsozialistische Kameradschaften? Die Antwort auf diese Fragen könnte auch wichtige Hinweise für ein Verbotsverfahren geben, falls es überhaupt dazu kommt.

Für die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, die die braune Szene seit Jahren beobachtet, ist der Fall klar: „Der Zerfall der sächsischen NPD beschleunigt sich.“ Sollten weitere Führungskräfte in Sachsen die Partei verlassen, verliere sie an Relevanz – die sei aber wiederum Voraussetzung für ein Verbotsverfahren. „Apfel und seine ‚Gruppe Demontage‘ sorgen gerade nach Kräften dafür, dass diese Relevanz zumindest in Sachsen mittelfristig nicht mehr gegeben ist“, betont Köditz. „Demokraten kann das nur freuen.“

Die NPD widerspricht erwartungsgemäß. Maik Scheffler, Landesvize und aus der Kameradschafts-Szene stammend, führt nun im Leipziger Land kommissarisch die Partei. Das soll zeigen, dass die Spitze um Apfel und Löffler mit der Kameradschafts-Fraktion nicht zerstritten ist. Auch sind Chemnitzer NPD-Mitglieder, die Apfels Kurs kritisiert hatten, nach Parteiangaben bislang nicht ausgetreten. Den Schritt vollzogen haben aber drei Kameraden aus der Region Leipzig. Köditz warnt: „Die nunmehr nicht parteigebundenen Neonazis werden sich durch besondere Aktivitäten profilieren wollen.“ Die Gefahr militanter Übergriffe wachse.

Von Thilo Alexe

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: