DER SPIEGEL 13/2012, S.39, 25.03.2012
Rechtsterrorismus: Bonnie, Clyde & Clyde
Im Untergrund wäre das Zwickauer Neonazi-Trio offenbar fast auseinandergebrochen — aus Eifersucht?
Viele Fakten des Terrors haben die Ermittler der „Besonderen Aufbauorganisation ‚Trio" inzwischen rekonstruiert, aber über das seltsame Dreiecksverhältnis von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe wussten sie bislang wenig. Seit vergangenem Herbst haben Hunderte Beamte aus Aussagen, Beweisstücken und Indizien die fast 14 Jahre im Leben und Töten der Zwickauer Terrorzelle zusammengefügt. Sie haben die Stationen der Flucht inzwischen weitgehend aufgeklärt.
Jetzt dringen sie zu psychologischen Fragen vor: Wie sahen die Beziehungen der verschworenen Dreiertruppe innerhalb aus? Lag in dem komplizierten Beziehungsgeflecht zwischen zwei Männern und einer Frau sogar ein Schlüssel für ihre mörderische Radikalisierung im Untergrund?
Bislang konnten die Fahnder wenige belastbare Informationen über die klandestine M6nage-ä-trois ermitteln. Zumeist waren es nur vage Hinweise, Gerüchte aus dem alten Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Zschäpe, so war etwa in der Jenaer Szene zu erfahren, habe „wechselnde Beziehungen" zu ihren beiden Gesinnungsgenossen gehabt.
Einer der wenigen, die Genaueres wissen, ist Holger G., der als mutmaßlicher Unterstützer des NSU seit November in Untersuchungshaft sitzt. Der Gabelstaplerfahrer aus dem niedersächsischen Lauenau legte im Gefängnis eine Art Lebensbeichte ab. Er hatte eine Waffe für die Zelle transportiert, das Trio über Jahre mit Ausweisen versorgt (SPIEGEL 2/2012). Der 37-Jährige gab nun auch Details über ein mutmaßliches Eifersuchtsdrama, Spannungen und Zwist innerhalb der Gruppe preis. Offenbar wäre die Zelle noch vor dem ersten Mord fast auseinandergebrochen, nach einem heftigen Streit in Chemnitz, der ersten Station ihrer Flucht.
G. sagte in einer Vernehmung am 17. Januar, dass Beate Zschäpe „offiziell" zwar mit keinem der beiden Uwes mehr liiert gewesen sei. Vor ihrem Leben im Untergrund soll sie aber erst mit Mundlos, dann mit Böhnhardt eine Liebesbeziehung gehabt haben. Freunde sagen, dass Mundlos sehr an Zschäpe gehangen habe. In der Illegalität, so G., habe sie sich aber benommen wie eine „Ehefrau" — nur eben „für zwei Männer". Eine Art Bonnie, Clyde und Clyde im Untergrund? G. bezeichnete die Dreierbeziehung als augenscheinlich „harmonisch".
Doch nach dem Untertauchen seien Spannungen innerhalb des Trios entbrannt. Das habe ihm Mundlos erzählt. Eine Zeitlang hätten sie in Chemnitz getrennt gelebt, und einmal habe Mundlos sogar „zu einem Messer gegriffen", er und Böhnhardt hätten „aufeinander losgehen" wollen. Mundlos, so G., habe danach eine eigene Wohnung bezogen. Später allerdings hätten die drei beschlossen, wieder zusammenzuziehen.
G.s Aussage könnte zu einem Beweisstück passen, das die Fahnder im Brand- schuft des letzten NSU-Verstecks fanden: einen Mietvertrag für eine Wohnung in der Zwickauer Heisenbergstraße, ausgestellt auf „Max-Florian B." — den Tarnnamen von Mundlos. Der Vertrag lief von Juli 2000 bis Mai 2001, ein Zeitraum, in dem die Ermittler die Zelle zunächst in Chemnitz verortet hatten. Der erste Mord des NSU fällt genau in diese Phase. Am 9. September 2000 erschoss Mundlos gemeinsam mit Böhnhardt den Ermittlungen zufolge den türkischen Blumenhändler Enver S.
Auch die von G. geschilderte spätere Wiedervereinigung des Trios deckt sich mit anderen Beweismitteln. Nicht nur deshalb schätzen die Fahnder G. als glaubwürdig ein. Die Bundesanwaltschaft stellte ihm inzwischen schriftlich eine Behandlung als Kronzeuge in Aussicht; wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, werde sich der Generalbundesanwalt vor Gericht für die „Anwendung" des entsprechenden Paragrafen „verwenden".
Insgesamt elfmal ließ sich G. bislang befragen. Wie kaum ein anderer genoss er offenbar das Vertrauen des Trios, das er bereits seit den neunziger Jahren kannte. G. bestätigte auch erstmals Verbindungen des NSU nach Nürnberg. Dort soll die Zelle drei ihrer zehn Opfer ermordet haben.
In einem rechten Zirkel namens „Nationaler Widerstand Jena" (NWJ), dem neben dem Trio auch G., der inzwischen ebenfalls inhaftierte Ex-NPD-Kader Ralf Wohlleben und der frühere V-Mann Tino Brandt angehörte, sei man Mitte der neunziger Jahre in größerer Gruppe nach Nürnberg gefahren. Dort habe Uwe Mundlos einen „Kameraden" gehabt. Schon im NWJ, so G., habe es Diskussionen über Gewalt gegeben, noch nicht speziell gegen „Ausländer", sondern „gegen den Staat".
Nachdem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Anfang 1998 in den Untergrund gegangen waren, trafen sie Holger G. weiterhin regelmäßig. Er und Wohlleben hätten sogar Geld von den Dreien erhalten, jeweils 10 000 Mark, vermutlich aus Überfällen, zur „Aufbewahrung".
Vom letzten Beutezug, dem Überfall auf eine Sparkasse in Eisenach, konnten sie nichts mehr abgeben. Entdeckt von der Polizei, erschoss Mundlos am 4. November erst seinen Rivalen Böhnhardt, dann sich selbst.
Hubert Gude, Sven Röbel, Holger Stark