Sächsische Zeitung, 20.04.2012
Über Niedriglöhne in Dresden: Erst höhere Löhne, dann höhere Preise
VW-Chef Martin Winterkorn ist ein fleißiger Mann. Das Unternehmen fährt Milliardengewinne ein. Er macht also einen guten Job. Er verdient wirklich gutes Geld dafür. 17 Millionen Euro waren es 2011. Bei einem Zwölf-Stunden-Tag und sechs Tagen Arbeit pro Woche entspricht das mehr als 5000 Euro Stundenlohn. Viele Friseure arbeiten nicht viel weniger. Sie kommen am Tag dennoch kaum über 50 Euro Verdienst. Herr Winterkorn verdient in drei Stunden mehr als eine Friseurin hier im ganzen Jahr.
Es geht nicht um Neid, sondern um Verteilungsgerechtigkeit. Auch eine Friseurin, ein Dachdecker oder eine Pflegekraft soll gut bezahlt werden. Sie haben eine Ausbildung abgeschlossen tragen mit ihrer Arbeit zu unserem Wohl bei. Es ist eine unzumutbare Entwicklung, wenn trotzdem das Geld zum Leben nicht reicht und sie als Bittsteller um Hilfe vom Staat fragen müssen. Ein Haarschnitt kann 42 statt 28 Euro kosten, denn er ist es wert. Das geht natürlich nur dann, wenn sich Arbeit lohnt, eine ausgelernte Vollzeit-Arbeitskraft von ihrem Geld nicht nur geradeso um die Runden kommt, sondern angemessene Preise bezahlen kann. Es darf nicht lohnender sein, nicht zu arbeiten. Das heißt nicht, dass Sozialleistungen gekürzt, sondern dass Löhne erhöht werden müssen. Der Mindestlohn wäre ein Anfang. Wenn untere Einkommensgruppen mehr verdienen, können sie auch mehr ausgeben. Vielleicht können Sie dann auch einen VW fahren. Das wird Herrn Winterkorn dann auch freuen.
Denni Klein