Sächsische Zeitung, 26.04.2012
Sächsisches Gericht kippt umstrittene Extremismusklausel
Dresdner Richter stärken Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen. Sie sollen leichter an staatliche Fördermittel kommen.
Dresden. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Bundesrepublik haben: Das Dresdner Verwaltungsgericht hat am Mittwoch die sogenannte Extremismusklausel des Bundes für rechtswidrig erklärt. Damit müssen Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen und Fördermittel beantragen, künftig kein Bekenntnis mehr zur demokratischen Grundordnung unterschreiben. Die Entscheidung der ersten Kammer unter Gerichtsvizepräsidentin Claudia Kucklick ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Geklagt hatte der Verein Akubiz aus Pirna. Das alternative Kultur- und Bildungszentrum beantragte 600 Euro aus dem Bundesprogramm „Toleranz stärken – Kompetenz fördern“. Im Rahmen eines Projekts zu Gedenkplätzen sollte auf das Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg in Königstein aufmerksam gemacht werden. Das Arbeitslager für die NS-Rüstungsproduktion existierte bis zum April 1945. Akubiz beantragte die Bundesmittel beim dafür zuständigen Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, verweigerte aber die Unterzeichnung der Klausel. Das Geld floss nicht – schließlich klagte der Verein gegen den Kreis.
Zum Auftakt der gut besuchten Verhandlung sprach dessen Vertreterin Jana Mocker-Leikauf von einer „unglücklichen Position“. Der Bund und nicht der Landkreis hätten die Mittelvergabe an die Klausel geknüpft. Akubiz-Anwalt Robert Uhlemann betonte, dass der Verein durch die umstrittene Erklärungspflicht diskriminiert werde.
Dem schloss sich das Gericht nach etwa halbstündiger Beratung an. Richterin Kucklick deutete in ihrer knappen mündlichen Begründung zwar an, dass sie das verlangte Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung für vertretbar halte. Problematisch sei allerdings die Forderung, dass die Unterzeichner der Klausel auch für die Grundgesetztreue von Partner-Organisationen und Referenten hinwirken sollen. Zudem beanstandete das Gericht die schwammig wirkende Passage, wonach der „Unterstützung extremistischer Strukturen“ kein Vorschub geleistet werden dürfe.
„Niederlage für Schröder“
Wegen „der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ ließ die Gerichtsvizepräsidentin die Berufung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen zu. Dazu dürfte es aller Wahrscheinlichkeit nach kommen, auch wenn Kreisvertreterin Mocker-Leikauf die schriftliche Begründung abwarten will. Akubiz-Chef Steffen Richter betonte: „Die Auffassung des Gerichts bestätigt, dass Demokratiearbeit nicht mit Misstrauen begegnet werden darf.“ Vertreter von SPD, Grünen und Linken sprachen von einer Niederlage für Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Auch Sachsen müsse eine an den Bund angelehnte Klausel abschaffen. Schröders Sprecherin kündigte allerdings an, dass bis zur endgültigen Entscheidung die „Demokratieerklärung“ Voraussetzung für Fördermittel bleibe.
Die 600 Euro erhält Akubiz übrigens trotz des juristischen Erfolgs nicht. Die Frist für die Förderung des Projektes ist abgelaufen.
Von Thilo Alexe