Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 18:17 Uhr, 29.05.2012

Zwickauer Zelle: Mutmaßliche NSU-Unterstützer kommen frei

 
Carsten S. soll die Zwickauer Terrorzelle mit einer Waffe versorgt, Matthias D. dem Trio seine Wohnung überlassen haben: Nun hat die Bundesanwaltschaft angeordnet, die Männer aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Eine längere Inhaftierung sei nicht mehr gerechtfertigt.

Karlsruhe - Es war eine simple Bestellung, die Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 1999 aus dem Untergrund bei ihren Unterstützern aufgaben - und die Carsten S. erfüllte. Eine Pistole des Typs Ceska 83, Kaliber 7,65 mm Browning. Mit ihr wurden in den folgenden sieben Jahren neun Einwanderer ermordet.

Gefunden wurde die Waffe im November des vergangenen Jahres im Schutt der zerstörten Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße, dem letzten Unterschlupf der Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Angemietet wurde sie offenbar von einem weiteren mutmaßlichen Helfer des Trios, von Matthias D. Über die wahre Identität seiner Untermieter habe D. "zu keinem Zeitpunkt etwas gewusst", sagt sein Rechtsanwalt Jörg-Klaus Baumgart. D. sei "getäuscht" worden. Die Ermittler halten D. dagegen für tief verstrickt.

Beide Männer, Carsten S. und Matthias D., saßen in den vergangenen Monaten in Untersuchungshaft, am Dienstag hat die Bundesanwaltschaft nun ihre Freilassung beantragt. Die Haftbefehle gegen beide Männer seien aufgehoben worden, hieß es am Dienstag aus Karlsruhe.

Den Angaben zufolge ist Carsten S. zwar weiter dringend verdächtig, den mutmaßlichen NSU-Mitgliedern gemeinsam mit dem Beschuldigten Ralf W. die Tatwaffe beschafft und sich damit der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht zu haben. Er habe sich aber umfassend zum Tatvorwurf geäußert und entscheidend zur Tataufklärung beigetragen. Zudem habe sich Carsten S., der seit Anfang Februar 2012 in Untersuchungshaft sitzt, glaubhaft von rechtsradikalem Gedankengut abgewandt. Aufgrund seiner "festen sozialen Bindungen" bestehe deshalb keine Fluchtgefahr mehr.

Matthias D. befindet sich seit dem 11. Dezember 2011 in Untersuchungshaft. Ihm wird eine Unterstützung der NSU in zwei Fällen vorgeworfen. Die Verdachtsmomente gegen ihn hätten sich jedoch als nicht stichhaltig genug erwiesen, heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft.

Trotz Freilassung drohen Anklagen

Am vergangenen Freitag hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits den Haftbefehl gegen Holger G., aufgehoben. Es gebe keinen dringenden Tatverdacht, dass er den NSU unterstützt habe, entschied der Strafsenat. Alle drei mutmaßlichen Unterstützer müssen jedoch mit einer Anklage rechnen.

Das Neonazi-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war im November 2011 aufgeflogen. Der Generalbundesanwalt macht die Zwickauer Terrorzelle für neun Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 14 Banküberfälle verantwortlich.

aar/dpa/AFP

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