Freie Presse Chemnitz, 31.05.2012
Beate Zschäpes mysteriöser "Draht" ins Innenministerium
Auf dem Handy der Terror-Verdächtigen Beate Zschäpe herrschte am 4. November 2011 reger Verkehr. Das zeigt eine Funkdatenabfrage.
Dresden - 72 Verbindungen weist eine Funkzellen-Abfrage fürs Handy der Terror-Verdächtigen Beate Zschäpe für den 4. November 2011 aus. Das ist der Tag, an dem sich ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach im Wohnmobil mutmaßlich selbst erschossen und Zschäpe die gemeinsame Zwickauer Wohnung an der Frühlingsstraße angezündet haben soll. Über Ergebnisse dieser Telefonabfrage wurde jetzt Sachsens Innenausschuss informiert. Die fünfseitige Datenauswertung liegt der "Freien Presse" vor.
Um 12.11 Uhr wurde demnach von Zschäpes Handy aus deren Anrufbeantworter abgehört. Vermutlich bekam Zschäpe da die Nachricht ihrer Komplizen über deren bevorstehenden Suizid. Der erste, den sie danach informierte, war André E., der mutmaßliche Komplize, der das Bekennervideo zur Mordserie des Trios erstellt haben soll. Bei E. gingen von Zschäpes Handy gleich mehrere Anrufe ein.
Rätsel indes geben die vielen Anrufe der Polizei und weitere von Dienstnummern des Innenministeriums auf, mit denen versucht wurde, Zschäpe am 4. November zu erreichen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Identität offiziell noch unbekannt war. Die Anrufe der Polizei erklärte man dem Ausschuss damit, dass beim Löschen des Hauses eine Nachbarin die Nummer nannte, über die die vermisste Bewohnerin zu erreichen sei. In Erklärungsnot brachte Sachsens Polizeipräsident Bernd Merbitz nur eine Handynummer: 01723565xxx. Sie gehört zu einem Diensthandy aus Sachsens Innenministerium. Kripo oder Verfassungsschutz? Wem die Nummer zuzuordnen ist, eine Antwort auf diese Frage blieb Merbitz dem Ausschuss vorerst schuldig. "Wenn es eine einfache Erklärung gibt", fragt der
SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, dem die Handydaten anonym zugingen, warum hätten Merbitz oder Innenminister Markus Ulbig (CDU) diese nicht im Innenausschuss abgegeben? "Ehrliche Aufklärung sieht anders aus", kritisiert Nolle.
Zschäpes mysteriöser "Draht" zum Innenministerium treibt die Mühlen der Verschwörungstheoretiker an: Es dränge sich der Gedanke auf, "dass Beate Zschäpe eine andere Rolle spielte, als der Öffentlichkeit bislang bekannt ist", teilte der NPD-Landtagsabgeordnete Arne Schimmer gestern mit. Er meine eine mögliche "Tätigkeit als Informantin oder V-Frau des Geheimdienstes".
Für eine ähnliche Äußerung musste gestern der einst für die Terrorzelle zuständige Zielfahnder des Thüringer Landeskriminalamts seinen Posten räumen. In einem Aktenvermerk hatte der Beamte schon 2001 vermutet, dass einer der Untergetauchten V-Mann sei, die Drei deshalb nicht zu fassen seien. Die mit der Aufklärung von Pannen betraute Schäfer-Kommission hatte diese Einschätzung zuletzt als unbegründet eingestuft und scharf kritisiert.
Von Jens Eumann