DNN/LVZ, 31.05.2012
Was wussten die Nazi-Terror-Helfer? Mangel an Beweisen: Schon drei von fünf mutmaßlichen NSU-Unterstützern aus der Haft entlassen
Berlin. Wende bei den Ermittlungen gegen das Umfeld der rechtsradikalen Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU): Von den ursprünglich fünf inhaftierten Unterstützern sind mittlerweile nur noch zwei in Haft.
Hauptgrund für die drei Entlassungen in den vergangenen Tagen: Die Bundesanwaltschaft kann den Unterstützern der Terrorzelle nicht nachweisen, dass sie von den Mordtaten des Trios wussten. Neben Beate Zschäpe, die 1998 mit den beiden Haupttätern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund ging und mit ihnen seitdem zusammenlebte, sind damit nur noch zwei mutmaßliche Unterstützer in Haft: Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben aus Thüringen, der dem Trio nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft eine Waffe besorgt und ihm 1998 bei der Flucht in den Untergrund geholfen haben soll. Und André E., der ein Propaganda-Video angefertigt haben soll, in dem sich die Comicfigur Paulchen Panther in zynischer Weise über die Opfer der Verbrechen lustig macht.
Aussage nicht zu widerlegen
Besonders deutlich werden die Probleme der Ermittler am Beispiel des ehemaligen Neonazis Holger G. (37), der am 13. November 2011 in Lauenau bei Hannover als erster mutmaßlicher Unterstützer festgenommen worden war und Ende vergangener Woche auf Veranlassung des Bundesgerichtshofes wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Der heute 37-jährige Mann war seit Mitte der 90er Jahre mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe befreundet und hielt auch im Untergrund Kontakt zu ihnen. Nach seiner Festnahme räumte er ein, dem Trio 2001 oder 2002 eine Pistole, 2004 seinen Führerschein, 2006 eine Krankenversichertenkarte und schließlich im Mai 2011 einen von ihm eigens dafür beantragten Reisepass überlassen zu haben. Doch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes kann ihm nicht nachgewiesen werden, dass er die Gewalttaten des Trios "objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat". Seine Aussage, er habe der Gruppe keine Morde zugetraut, sei nicht zu widerlegen. Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass sich die drei "bei der Planung und bei der Durchführung ihrer Aktionen streng abgeschottet" und auch keine Bekennerschreiben hinterlassen hätten.
Auch aus der Übergabe der Pistole, die bei keinem der Morde verwendet wurde, lasse sich keine direkte Unterstützung des Trios ableiten. Nicht zu widerlegen sei die Aussage von Holger G., er habe dem Trio bei Übergabe der Pistole "klargemacht, dass er so etwas nie wieder machen werde, mit Waffen nichts zu tun haben wolle und die Anwendung von Gewalt für sich ausschließe". Auch später habe für ihn nichts darauf hingedeutet, "dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zwischenzeitlich den von ihnen vor ihrem Untertauchen befürworteten bewaffneten Kampf tatsächlich aufgenommen und Anschläge mittels Schusswaffen oder Sprengstoff verübt hätten".
Das gleiche gilt nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft auch für den am 11. Dezember 2011 durch ein Spezialeinsatzkommando im Erzgebirgskreis festgenommen Matthias D., der für das Trio im Mai 2001 und März 2008 jeweils eine Wohnung in Zwickau angemietet und der Gruppe überlassen haben soll. Dass er von den Morden und anderen Verbrechen wusste, wird man wohl auch ihm nicht nachweisen können.
Zur Aufklärung beigetragen
Bei dem dritten Freigelassenen, Carsten D., spielte es zudem noch eine Rolle, dass er vermutlich nur nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann. Er war 19 Jahre alt, als er dem Trio um die Jahreswende 1999/2000 die Ceska-Pistole besorgt hat, mit der dann tatsächlich neun Männer ausländischer Herkunft erschossen wurden. Auch er hat mittlerweile umfassend ausgesagt und nach Angaben der Bundesanwaltschaft "entscheidend zur Tataufklärung beigetragen". Zudem habe er sich glaubhaft von rechtsradikalem Gedankengut abgewandt und seit spätestens 2001 keine Kontakte mehr zur Neonazi-Szene.
Von Joachim Riecker