spiegel online 12:40 Uhr, 23.06.2012
Rechtsextremismus: Verfassungsschützer hatten zwölf Spitzel beim "Thüringer Heimatschutz"
Der Verfassungsschutz hatte beim "Thüringer Heimatschutz" laut Zeitungsberichten deutlich mehr V-Männer als bislang bekannt. Insgesamt sollen zwölf Personen Informationen über die rechtsextreme Gruppe geliefert haben - ihr gehörten auch die Mitglieder der NSU-Terrorzelle an.
Berlin/Erfurt - Geheimdienste haben die rechtsextreme Szene in Thüringen um die späteren mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe deutlich intensiver aufgeklärt als bislang bekannt. Das hat das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz laut Berichten von "Berliner Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" eingeräumt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) betrieb den Berichten zufolge gemeinsam mit dem Erfurter Landesamt und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zwischen 1997 und 2003 die Operation "Rennsteig". Wichtigstes Zielobjekt sei der "Thüringer Heimatschutz" (THS) gewesen. Zu der rechtsextremen Gruppe mit rund 140 Mitgliedern gehörten auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Im THS sollen die drei Dienste den Berichten zufolge insgesamt zwölf V-Leute geführt haben.
Wichtige Akten zur Operation "Rennsteig" sind laut "Berliner Zeitung" allerdings 2011 vom BfV vernichtet worden. Das Blatt beruft sich auf einen als geheim eingestuften Bericht des Amtes an den Generalbundesanwalt vom Dezember 2011. Diesem Bericht zufolge habe das für Rechtsextremismus zuständige BfV-Referat Fallakten aus den Jahren 1997 bis 2001 vernichtet, da sie "dienstlich nicht mehr notwendig waren". Sieben dieser Fallakten hätten die Operation "Rennsteig" betroffen.
Die hohe Zahl der V-Leute ist brisant, weil sie teilweise vom Verfassungsschutz Geld bekamen, das auch an das Terrortrio weitergereicht wurde. So ist bekannt, dass der ehemalige V-Mann Tino Brandt unter dem Decknamen "Otto" für den Verfassungsschutz arbeitete.
Im März bestätigten die Verfassungsschützer, im Jahr 2000 Brandt 2000 Mark ausgehändigt zu haben, die dieser an das Trio weiterreichen sollte. Zu diesem Zeitpunkt waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bereits seit Jahren untergetaucht.
Während Brandt für den Verfassungsschutz die rechtsextreme Szene ausspähte, war er laut Thüringer Innenministerium an einer Vielzahl von verfassungsfeindlichen Aktionen beteiligt. Die Liste umfasst insgesamt 35 Ermittlungsverfahren aus Brandts Zeit als V-Mann, darunter Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Betrug und Bildung krimineller Vereinigungen. Die meisten Verfahren wurden eingestellt.
ulz/dpa