Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.07.2012

Verfassungsschutz stolpert über 100 Seiten mit Abhörprotokollen

 
Per Telefonüberwachung wurde 1998 ein Mann auf Kontakte zum NSU-Trio überprüft – ergebnislos.

Es sind 100 lose Aktenseiten, die den sächsischen Verfassungsschutz erneut ins schlechte Licht rücken. Bei dem Papierberg, dessen plötzliches Auffinden in einem Dresdner Aktenschrank zum Rückzug von Sachsens oberstem Verfassungsschützer Reinhard Boos führte, handelt es sich um die dokumentierten Mitschnitte einer 1998 vom Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführten Telefonüberwachung. Im Visier stand dabei der damals 23 Jahre alte Jan W. aus Chemnitz. Das Bundesamt interessierte sich über Monate für den Mann, der eine zentrale Figur in der rechten Musikszene „Blood & Honour“ war und bei dem man Kontakte zum untergetauchten NSU-Terror-trio vermutete.

Der Inhalt der Seiten gilt aber als wenig brisant, da die Telefonüberwachung diesen Verdacht nicht bestätigte. Für Sachsens Verfassungsschutz wurde der Aktenberg trotzdem zum Stolperstein, weil es bisher immer hieß, man habe das eigene Material zu Beobachtungen von Verdächtigen rund um das Terror-Trio längst komplett dem Bundesamt übergeben. Das erweist sich nun als falsch. Zudem ist pikant, dass Jan W. für das sächsische Landesamt kein Unbekannter ist. 1994 wurde seinetwegen ein operativer Vorgang eingeleitet, sprich: er wurde beobachtet. 1995 kam es sogar zweimal zu direkten Kontakten von Jan W. und Verfassungsschützern, dann lehnte der Mann weitere Treffen ab. Die sächsische Akte zu W. wurde daher 1995 geschlossen, die spätere vom Bundesamt vergessen, heißt es nun. (SZ/gs)

Karl Nolle im Webseitentest
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