DNN/LVZ, 21.08.2012
"Teil der allgemeinen Vernebelungsstrategie" - Neonazi-Terror: Der Grüne Miro Jennerjahn zum Umgang mit Geheimakten in Sachsen
Dresden. Vergangene Woche sorgten Ermittlungen des Bundeskriminalamts (BKA) für Furore in Sachsen. Grund war eine Spur des Zwickauer Neonazi-Trios in die Staatskanzlei bereits 2007. Mittlerweile gibt es zwar Entwarnung, Miro Jennerjahn, Obmann der Grünen im U-Ausschuss, kann das nicht beruhigen.
Frage: Das Thema Neonazi-Terror bewegt die Sachsen.
Wie ist der Umgang der Staatsregierung mit Akten, Aufklärung und Öffentlichkeit?
Miro Jennerjahn: Nach wie vor räumt sie nur das ein, was öffentlich sowieso bekannt geworden ist. Wenn irgendein Medium mal wieder eine Neuigkeit herausgefunden hat, gibt sich die Regierung zerknirscht. Aus eigenem Antrieb aber sind von ihr leider keine Informationen zu erwarten. Weder aus dem Innenministerium noch - wie jetzt - von der Staatskanzlei kommt ein Beitrag zur Aufklärung. Da ist der aktuelle Fall ein besonders prägnantes Beispiel, aber er ist nicht das einzige. So wurde uns vor ein paar Wochen erst auf Nachfrage mitgeteilt, dass das BKA 2007 eine Info-Veranstaltung zu den sogenannten Ceska-Morden in Sachsen durchgeführt hat - 2007, im selben Jahr wie im aktuellen Fall.
Widerspricht das nicht der offiziellen Lesart, dass den Ermittlern ab 2001/2002 keine neuen Erkenntnisse mehr vorlagen?
Das hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig Ende Juni in seinem Abschlussbericht so behauptet. Er offeriert dort eine Liste mit Aktionen der Polizei, die sich auf die Jahre 2000/01 konzentrieren. Und danach gibt es eine große Lücke bis zum Auffliegen des Terrortrios 2011. Damit suggeriert der Minister, dazwischen habe es nichts mehr gegeben. Das ist reichlich unglaubwürdig. Und mittlerweile gibt es immer neue Beispiele, die beweisen, dass das nicht stimmt.
Zur Spur in der Staatskanzlei: Mittlerweile hat sich die Generalbundesanwaltschaft geäußert. Demnach hat die Prüfung ergeben, dass nichts dran ist. Beruhigt Sie das?
Ich nehme das zur Kenntnis, beruhigen tut es mich nicht. Denn es drängt sich die Frage auf, warum der Fall erst 2012 geklärt werden konnte - und nicht bereits bei den ersten Anfragen des BKA 2007. Ganz offensichtlich ließ sich das Ganze ja rekonstruieren. Mein Eindruck ist, dass es die Regierung vor fünf Jahren nicht ernst genug genommen hat. Das ist typisch.
In den Akten findet sich die Aussage eines Mitarbeiters der Staatskanzlei, interne Informationen doch bitte schön nur noch mündlich weiterzugeben. Damit solle vermieden werden, dass der peinliche Fall allzu viele Spuren hinterlässt. Wie ist das zu werten?
Das ist Teil der allgemeinen Vernebelungsstrategie. Umso peinlicher ist es aber, wenn es trotzdem herauskommt. Die Regierung will Fehler möglichst unter der Decke halten. Dahinter steht das Märchen, Sachsen habe korrekt gehandelt. Wenn überhaupt jemand etwas falsch gemacht habe, dann die Thüringer. Das gilt vor allem für die Polizei, die Ulbig auffällig schont. Denn es drängt sich doch eine einfache Frage auf: Warum gelang es der Polizei damals nicht, eine ganz offensichtliche Serie von Banküberfällen mit normaler Ermittlungsarbeit aufzuklären. Schließlich gingen die Täter immer nach demselben Muster vor. Doch dieser Frage weicht der Innenminister seit fast zehn Monaten konsequent aus.
Interview: Jürgen Kochinke