Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 18.09.2012

Schwierige Spurensuche - Der sächsische NSU-Ausschuss hat weniger herausgefunden als die Gremien in Erfurt und Berlin.

 
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat womöglich auch Sachsen im Blick, wenn sie angesichts des Neonaziterrors betont: „Die Aufklärung läuft an etlichen Stellen nicht so, wie wir das für richtig halten.“ Anders als die Gremien in Berlin und Erfurt hat der Dresdner Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ bislang kaum Erhellendes zu der fremdenfeindlichen Mordserie mit zehn Toten beigetragen. Ein Grundsatzstreit erschwert die Arbeit. Fragen nach etwaigen Behördenfehlern bleiben offen.

Am 7. März wurde der Ausschuss per Landtagsbeschluss ins Leben gerufen. Zum achten Mal hat er gestern getagt. Fazit mehrerer Abgeordneter nach rund sieben Stunden: „Wir wären gerne weiter.“

Seit einem halben Jahr wurde kein Zeuge vernommen. In Thüringen ist es gelungen, die höchst eigenwillige und teils bizarre Amtsführung der Verfassungsschutzspitze Ende der 90er-Jahre zu beleuchten. Auch die Berliner Abgeordneten förderten Überraschendes bis Skandalöses zutage. Jüngstes Beispiel: NSU-Mitglied Uwe Mundlos fiel bereits als Bundeswehrsoldat als Neonazi auf und geriet ins Visier des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Akten wurden aber vernichtet. Warum findet so etwas nicht der Untersuchungsausschuss aus dem Bundesland heraus, in dem sich Mundlos und seine Komplizen dreizehn Jahre versteckt hielten?

Die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz bringt die Antwort vermutlich auf den Punkt:„In Thüringen und Berlin wurden die Ausschüsse gemeinsam eingesetzt.“ Im Freistaat beschloss die Opposition das Gremium. Eine übergreifende Aufklärungsstrategie? Fehlanzeige.

CDU und FDP hatten ihre Skepsis damit begründet, dass auch die NPD Anrecht auf einen Sitz im Ausschuss hat und an brisante Daten etwa zu V-Leuten gelangen könnte. Wohl nicht ganz zu Unrecht. NPD-Mann Arne Schimmer betonte jedenfalls im Frühjahr, dass er „selbstverständlich“ auf Erkenntnisse hoffe, „die im Hinblick auf ein eventuelles NPD-Verbotsverfahren entlastend“ wirken. Für Wirbel sorgte zudem das Statement des Vorsitzenden des NSU-Ausschusses im Bundestag. Der SPD-Politiker Sebastian Edathy hatte die Zusammenarbeit mit dem Dresdner Ausschuss als „schwierig“ bezeichnet, eben wegen der NPD. Sprich: Die Sachsen kommen womöglich schwer an Material der Berliner Kollegen. Bislang benötigten sie es auch gar nicht. Denn Zwist um Tagesordnungen und Zeitpläne prägten zunächst die Debatten. CDU und FDP befürchten, dass die Opposition die Arbeit sächsischer Sicherheitsbehörden und damit auch der Regierung skandalisieren will. Letztlich wurden den Zeugenvernehmungen langwierige Expertenanhörungen vorgeschaltet. „Wir hätten gerne früher Zeugen gehört“, sagt SPD-Frau Sabine Friedel.

CDU-Obmann Christian Hartmann weist Verschleppungsvorwürfe zurück und betont, dass zunächst die Grundlagen für Rechtsextremismus geklärt werden sollen. Die Anhörungen bringen zwar wenig Neues, sind aber dennoch interessant. Etwa wenn die Journalistin Andrea Röpke darauf hinweist, dass Jugendliche in ländlichen Regionen häufig durch eine „Erlebniswelt rechts“ samt Konzerten und Treffs gelockt würden. Alternativen gebe es kaum. Die Szenekennerin betont, dass die Terrorzelle angesichts militanter Neonazis auch im Westen hätte entstehen können. Auch das Konzept des „führerlosen Widerstands“, bei dem Bekennerschreiben wie bei der NSU fehlten, sei bei Rechtsextremisten verbreitet. Der Dresdner Politologe Uwe Backes sieht einen Zusammenhang zwischen starken Neonazistrukturen im Osten und Spätfolgen der DDR wie etwa Abschottung und Frust über Arbeitslosigkeit.

Der amtierende Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath spricht im nichtöffentlichen Teil über den Auszug einer Mundlos-Akte des MAD, der in Kopie in Sachsen lag und mehreren Gremien weitergeleitet wurde. Er gibt Interviews und setzt auf Transparenz. Ein guter Ansatz. Ende September sollen die ersten Zeugen, zwei Polizisten, vernommen werden.

Von Thilo Alexe

Karl Nolle im Webseitentest
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