Welt am Sonntag, 23.09.2012
Ex-V-Mann redet offen über NSU
In der Debatte über die Weitergabe von Informationen rund um die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wird Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) durch eine Aussage des ehemaligen V-Mannes Thomas S. entlastet. Er gehe nicht davon aus, dass die Behörden damals aufgrund seiner Informationen die Mitglieder des NSU hätten festnehmen können, sagte S. der "Welt am Sonntag". Er sei selbst nicht "auf die Idee gekommen", dass hinter den Informationen des Freundes ausgerechnet die drei Personen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt stecken könnten. "Ich bin davon ausgegangen, dass sich das Trio wenige Monate nach dem Abtauchen ins Ausland abgesetzt haben muss", sagte Thomas S.
S. hatte am 13. Februar 2002 dem Berliner Staatsschutz von einem Freund berichtet. Dieser hatte von seinen Kontakten zu "drei Personen aus Thüringen" erzählt, die wegen Waffen- und Sprengstoffdelikten "per Haftbefehl gesucht" würden. Innensenator Henkel steht in der Kritik, weil seiner Behörde vorgeworfen wird, den Hinweisen damals nicht nachgegangen zu sein und heute die Unterlagen nicht zeitnah an den Untersuchungsausschuss des Bundestages weitergereicht zu haben.
Neue Rätsel geben den Ermittlern zwei DNA-Spuren auf. Eine Spur führt ins Berliner Rockermilieu. Anfang Juli entdeckten Fahnder des Landeskriminalamts (LKA) bei der Spurensicherung vor dem Klubhaus "Bandidos" in Berlin-Wedding ein DNA-Fragment, das teilweise mit einem DNA-Fragment übereinstimmen soll, das auf einer Diskette im letzten Versteck des Neonazi-Trios in Zwickau gefunden worden war. Die Bundesanwaltschaft beurteilt den Fund jedoch skeptisch. Die "wenigen Merkmalsübereinstimmungen" seien nicht als Beleg dafür geeignet, dass die Spuren von ein und derselben Person herrührten.
Die zweite Fährte führt nach Brandenburg. Sie betrifft einen Fahrzeugdiebstahl aus dem Jahr 2002. Damals wurden bei den Ermittlungen DNA-Spuren gefunden, die angeblich teilweise jenen DNA-Spuren gleichen, die im Wohnmobil der NSU-Terrorzelle festgestellt worden waren. Weil der Fahrzeugdiebstahl längst verjährt ist, sollen die Akten bei der Staatsanwaltschaft inzwischen vernichtet worden sein.
Von Manuel Bewarder und Uwe Müller