Sächsische Zeitung, 15.11.2012
Hoyerswerdas Polizei kapituliert vor Neonazis
Polizisten empfehlen einem von Rechten bedrängten Paar den Umzug – doch der Bürgermeister sieht keine grundsätzlichen Versäumnisse.
Hoyerswerda. Es ist ein Fall, der vielen – nicht nur in Hoyerswerda – schwer verständlich sein dürfte: Ein junges Paar wird von 15 mutmaßlichen Rechtsradikalen in seinem Haus bedroht. Doch statt die Opfer zu schützen, empfiehlt die herbeigerufene Polizei den beiden, die Stadt zu verlassen. So zumindest hat es sich am 17. Oktober einem Bericht des MDR-Nachrichtenmagazins „exakt“ zufolge zugetragen. Der Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz/Niederschlesien, Thomas Knaup, wird dazu mit folgenden Worten zitiert: „Es ist einfacher, zwei Personen von einem Ort zu einem anderen sicheren Ort zu verbringen, als 30 Personen zu bewachen oder permanent fünf Funkstreifen vor ein Haus zu stellen.“
Hoyerswerdas Bürgermeister Thomas Delling sieht bei der Bekämpfung von Neonazi-Umtrieben trotzdem keine grundsätzlichen Versäumnisse. Laut „exakt“ räumte er ein, dass es in der Stadt Fälle gebe, in denen Neonazis Bürger bedrängten. Es habe auch schon Angriffe auf das Partei-Büro der Linken gegeben: „Aber das ist eben nicht das grundsätzliche Klima.“ Die Erfahrung sei, dass die Polizei eigentlich gemeinsam mit der Stadt diese Dinge zügig und auch konsequent bekämpfe. Gemeinsam diskutiere man dieses Thema auch im kommunalpräventiven Rat immer wieder. Sollte es im aktuellen Fall tatsächlich so gewesen sein, „dass die Polizei dort nicht konsequent gehandelt hat, dann ist das natürlich nicht in Ordnung“.
Kritik aus der Polizeiführung
Scharfe Kritik kam vom Leipziger Polizeipräsidenten und designierten Koordinator gegen Rechtsextremismus, Bernd Merbitz. „Es kann nicht sein, dass man Leuten, die in Gefahr sind, die bedroht werden, als ultima ratio anbietet, die Stadt zu verlassen.“ Andersdenkende müssten vor rechter Gewalt geschützt werden. Er frage sich aber, ob die Einsatzkräfte in Ostsachsen ausreichten, diese Aufgabe auch zu erfüllen. Merbitz sieht in dem Vorgang eine unheilvolle Parallele zu den Geschehnissen vor 21 Jahren in Hoyerswerda, als Asylbewerber aus der Stadt gebracht wurden, weil Rechte das Asylbewerberheim angegriffen hatten.
Das Paar war laut MDR zur Zielscheibe des Hasses geworden, weil es rechte Aufkleber im Stadtbild entfernt hatte. Die 33-jährige Frau und ihr Lebensgefährte leben jetzt in einer geheimen Unterkunft außerhalb der Stadt, die sie sich selber suchen mussten. Ein Polizeibeamter soll sie privat dorthin gebracht haben. Bürgermeister Delling sagte, man werde den Kontakt zu dem betroffenen Paar suchen. (SZ/dpa)