Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.11.2012

Zwischen Verleumdung und Verteidigung - Aktenaffäre: Prozessneuauflage gegen zwei Leipziger Journalisten

 
Dresden. Aktenaffäre und kein Ende: Gestern startete die Neuauflage des Prozesses gegen zwei Leipziger Reporter, und sofort gab es ein heftiges Tauziehen. Umgehend stellten die Anwälte der Journalisten Befangenheitsanträge gegen den Richter - weil der sich schon 2007 öffentlich zur Sache geäußert hatte. Fest steht bisher eines: Selten hat eine Affäre den Freistaat so nachhaltig erschüttert wie Berichte über Geheimakten des Verfassungsschutzes.

Im Berufungsprozess gegen die Reporter Thomas Datt und Arndt Ginzel geht es um zwei klare Vorwürfe: üble Nachrede und Verleumdung. Grund: Die beiden hatten Anfang 2008, also rund ein Dreivierteljahr nach dem Start der Affäre, in mehreren Beiträgen eine alte Frage neu beleuchtet - die nach möglichen Verwicklungen hochrangiger Juristen in die Aktenaffäre. Dabei sollen sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft zu weit gegangen sein. Mehrere Journalisten-Vereinigungen sehen das allerdings anders, für sie ist das Verfahren ein Angriff auf die Pressefreiheit. "Investigative Recherche ist in Deutschland kein Straftatbestand", hatte zum Beispiel DJV-Hauptgeschäftsführer Kajo Döhring erst vor wenigen Tagen gesagt.

Dabei hatte der Fall schon zu Beginn alle Zutaten einer Story für den "Tatort": In Sachsen, so legten die Dokumente aus den Panzerschränken der Verfassungsschützer nahe, trieben mafiöse Netzwerke ihr Unwesen. Eine kriminelle Truppe aus Rotlicht-Milieu und Immobilienbranche agiere Hand in Hand mit Juristen. In Gefahr sei nichts weniger als der Rechtsstaat selbst. Im Zentrum stand das ehemalige Kinderbordell Jasmin in Leipzig, in dem sich Justizbeamte und Immobilienmanager an Minderjährigen vergangen haben sollen. Ein Haus in der Leipziger Riemannstraße, dessen Verkauf einen Mordanschlag auslöste. Und ein Prozess gegen den Bordellbetreiber mit merkwürdigem Ausgang.

Das war die Meldungslage im Mai 2007, nachdem Leipziger Volkszeitung und Spiegel exklusiv berichtet hatten. Sachsen war geschockt. Selbst besonnene Zeitgenossen reagierten entsetzt. Unvergessen ist noch die Mafia-Rede von Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) vor dem Landtag. Tenor: Die Netzwerke aus den neunziger Jahren seien noch aktiv, und sie würden zurückschlagen.
Dabei war die Faktenlage allemal dünn. Immer wieder verschwamm die Grenze zwischen Gerücht und Realität. Hinzu kam die Rolle der Politik, genauer: die vom damaligen Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Nachdem er wochenlang zugeschaut hatte wohl in der stillen Hoffnung, es werde nur das rote Leipzig treffen, zog er Ende Juni 2007 die Notbremse. Offensichtlicher Grund: Zunehmend nahm eben nicht nur die SPD Schaden, sondern vor allem die CDU.

Damit war der Schalter umgelegt, es rollten Köpfe. Nachdem schon Verfassungsschutz-Präsident Rainer Stock gehen musste, wurden die beiden führenden OK-Ermittler - die eine beim Verfassungsschutz, der andere bei der Leipziger Polizei - öffentlich demontiert. Begründung: Es habe Fehler im Geheimdienst gegeben, Quellen seien vergiftet.

Doch nicht nur die Ermittler traf es. Auch jene wurden mit Verfahren überzogen, die auf anderer Ebene mit der Affäre befasst waren: Reporter vor allem sowie die Zeugen des Dramas. Das ist bis heute zu spüren. Aus der Korruptions- ist eine Aktenaffäre geworden. Tenor: Es ist alles nur heiße Luft, von ein paar Eiferern in die Welt gesetzt. Und eben die sind es, die das vor Gericht zu spüren bekommen: Journalisten und einstige Zwangsprostituierte.

Auch wenn sich das Gesamtsystem, wie es die Geheimpapiere der Verfassungsschützer nahelegen, nicht hat nachweisen lassen, so sind es doch die Einzelaffären, die in Erinnerung bleiben. Denn auch in anderen Fällen geht es oft genug um die Frage: Wer kennt wen? Wer hilft wem ein bisschen weiter? Ob Leipziger Immobiliendeals Mitte der neunziger Jahre, ob Skandal um den Behördenstandort Paunsdorf-Center. Vielleicht stößt auch eine aktuelle Affäre noch in eine ähnliche Dimension: das Tauziehen um die sogenannten herrenlosen Häuser in Leipzig.

Von Andreas Friedrich und Jürgen Kochinke

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