Freie Presse Chemnitz, 14.01.2014
Sachsen-SPD vor einer Zerreißprobe
Der Ansturm auf vordere Listenplätze für die Landtagswahl spaltet die Partei. Im Netz kursieren Verschwörungstheorien.
DRESDEN - Der SPD stehen nach der missglückten Landeswahlkonferenz im mittelsächsischen Frankenberg vom Samstag aufreibende Zeiten bevor. Die Partei kam auch ges.- tern, am Tag 2 nach der Wahlschlacht um die aussichtsreichen Listenplätze für die Landtagswahl Ende August, nicht zur Ruhe. Die Ursachenforschung erschöpft sich zumeist in Schuldzuweisungen und wird nicht selten mit Verschwörungstheorien verknüpft Nachzulesen unter anderem auf Facebook.
Zuerst war es nur die Konkurrenz der Regionen - Großstädte gegen das flache Land, große SPD-Gliederungen gegen die kleinen. Nach dieser Logik hätte sich Dresden mit Leipzig gegen die Stadt Zwickau verschworen und damit ein Mandat des dortigen SPD-Kreischefs und Landtagsabgeordneten Mario Pecher streitig gemacht
Trommelfeuer im Internet
Als Pecher, der auf Listenplatz 7 und damit praktisch schon wiedergewählt war, diese Ausgangsposition gegen einen 33-Jährigen aus Dres den verlor, schien für einige alles klar. Intrige, Egoismus, unsolidarisches Verhalten - trommelte es aus den sozialen Netzen. Dahinein ließ Thomas Jurk, Ex-Landes-SPD-Chef und jetziger Bundestagsabgeordneter, noch eine Bombe platzen:. Er warf seinen Vorsitz im Görlitzer Kreisverband hin, der für ihn ein anderer Verlierer der innerparteilichen Hahnenkämpfe ist.
Die Veranstaltung in Frankenberg sei der „i-Punkt" auf eine Kette von Ereignissen gewesen, so Jurk. Neue Wortführer in Landespartei und Kreisverband hätten andere politische Vorstellungen und wählten andere Instrumente zur Durchsetzung ihrer Ziele. »Denen möchte ich nicht mehr im Wege stehen", schrieb er im Netz. Kommentiert wurde von Mitgefühl bis zu der Anfrage, wo man zu dieser Rücktrittserklärung „gefällt mir" klicken könne.
Als Buhmann und Hauptauslöser gilt der mächtige SPD-Unterbezirk Dresden,. als Buhfrau seine Vor sitzende Sabine Friedel. Die bezeichnete gestern den Wirbel in einer Erklärung als »nicht rational". Die Gegenkandidatur habe sie selbst allen Parteiebenen und Pecher selbst Tage zuvor angekündigt. Diese Art von Gegenkandidaturen sei üblich und demokratisch legitim. Etwas Ähnliches sei schon 2004 passiert, „als der jetzige Landesvorsitzende von Listenplatz 31 auf Platz 3 kandidierte und gewann", erinnerte sie. Martin Dulig sitzt seitdem im Landtag.
Alles nur ein „Juso-Komplott"?
Seit gestern ist der Kreis der Verdächtigen um die Jugendorganisation der SPD größer geworden. Das Wort von einem „Juso-Komplott" machte die Runde. Pecher selbst nährte diesen Gedanken. In einer Online-Erklärung ließ er verlauten, dass Delegierte einer „,übergeordneten' Institution namens Juso" gefolgt wären. Menschen seien instrumentalisiert worden, dass ,,eine bestimmte Person aus dem Landtag raus muss". Gemeint sei er gewesen, aber er nicht nur allein.
Von einer Juso-Verschwörung wollte die Jugendorganisation der SPD gestern nichts wissen. Landeschef Tommy Jehmlich bezeichnete die Vorwürfe als „reine Panikreaktion". Gar von einem Generationenkonflikt innerhalb der SPD könne keine Rede sein. Von den 8o Delegierten am Samstag seien aber zo im Juso-Alter gewesen. Jedes SPD-Mitglied unter 35 Jahren sei automatisch auch Juso-Mitglied, erklärte Jehmlich. Nach dieser Logik haben die Jusos fünf Kandidaten unter den ersten zo der Landtagsliste. Darunter auch der siegreiche Gegenkandidat von Pecher. Dass jetzt ein Schuldiger gesucht würde, sei normal, so Jehrnlich:„Aber die Jusos haben keine Spielchen gespielt."
Der, SPD-Landesvorstand hielt sich gestern zurück. Man wolle kein Öl ins Feuer gießen, aber die Sache auch nicht aussitzen, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Er prüfe derzeit eine Form, um hinter verschlossenen Türen Klartext reden und klar Schiff machen zu können. „Irgendwie bin ich froh, weit weg im Urlaub zu sein", schrieb ein SPD-Mitglied auf Facebook. „Für uns ist es schwer nachvollziehbar, für den Wähler gar nicht."
VON UWE KUHR