Dresdner Morgenpost, 03.08.2015
Verräler oder Idealist? Ex-Vedassungsschiützer ab Mittwoch vorm Kadi
DRESDEN - Nächste Runde im Verfahren um Ex-Verfassungsschützer Michael H. (45). Stichwort „Sachsensumpf". Am Mittwoch startet im Amtsgericht die neue Prozessreihe um den vorgeblichen Verrat von Dienstgeheimnissen. Schon jetzt gibt's Termine bis in den Herbst.
Für manche ist er ein Verräter, für andere ein Idealist. Michael H. soll als Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes genau das getan haben, was nicht in seiner Arbeitsplatzbeschreibung stand: für Öffentlichkeit sorgen.
Konkret soll er vor acht Jahren in Plauen einem Journalisten Unterlagen seiner Behörde zugespielt haben. Warum er das tat? Weil er sauer war, dass die Organisierte Kriminalität im Freistaat angeblich die Berufs-Schnüffler nichts mehr angehen sollte, so die Anklage.
Unter der Überschrift „Sachsensumpf" beschäftigte die Sache sogar den Landtag. Allerdings soll H. laut Anklage nicht nur Interna weitergegeben haben. Aus Angst vor der Enttarnung schüchterte er auch Zeugen ein, heißt es weiter. In einem Fall soll verbal gar das Leben der Frau eines Zeugen bedroht worden sein, wenn dieser plaudert.
Neu ist die Sache vor Gericht nicht. Schon 2012 sollte sich H. verantworten. Der Prozess scheiterte, weil H.s Anwälte den Richter als befangen ablehnten. Eine Runde im Mai 2015 platzte, weil noch (geheime) Unterlagen fehlten.
TH
Anmerkung von Karl Nolle :
Das Verfahren gegen Michel H. war zuletzt unter der Überschrift "Sachsensumpf - Verfahren vor dem Abschluss" Thema in der Dresdner Morgenpost vom 19.05.2015. Der jetzige Bericht von TH zeigt erneut, wie schwer sich Journalisten mit Fakten und Hintergründen der schwer durchschaubaren Materie tun ,wenn sie mit schneller Feder ihrer Arbeit nachgehen. Es reicht eben nicht aus, beispielsweise nur die Behauptungen der Anklageschrift fix zu lesen ohne auch die Sicht des Angeklagten darzustellen.
Rechtsstaat in Sachsen auf dünnen Beinen
Das Verfahren war um 16. Februar 2012 vorläufig eingestellt worden, da sich in der Zeugenvernehmung mit dem ehemaligen LfV-Präsidenten Boos herausstellte, und wie er persönlich bestätigte, Anwälte, Gericht und Untersuchungsausschuss allesamt unvollständige Akten des LfV zur Verfügung hatten. Boos hatte damals im Februar 2012 zugesichert ,diese Akten über das SMI nachzuliefern .
Nachdem das Verfahren über zweieinhalb Jahre ruhte , machten Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidiger endlich am 18.5.2015 den Versuch einer einvernehmliche Einstellung des Verfahrens. Die Einstellung des Verfahrens nach §153 a sollte ohne jede Schuldfeststellung erfolgen und rechtskräftig werden, wenn erstens bis 30.6.2015 die vereinbarte Zahlung der Geldauflage von 5000 € durch Michael H. erfolgte.
Zweiter Bestandteil der Einigung war die Zusicherung des Gerichtes, den Anwälten von Michael H., die seit 2,5 Jahren geforderte und bisher verwehrte Akteneinsicht in nachzureichende "geheime" Akten des LfV zu gewähren, wie der damalige Präsident des LfV, Reinhard Boos, bei seiner Zeugenvernehmung im Februar 2012 vor dem Amtsgericht zugesichert hatte.
Der Prozess musste nun fortgesetzt werden, da sich weder Michael H. zur Zahlung der Geldauflage bereit erklären konnte noch die zweite Bedingung für die Einstellung erfüllt wurde, da sich die Anwälte von Michael H. bis dato immer noch mit dem LfV und dem Amtsgericht über die Vorlage vollständiger Akten und/oder deren Geheimhaltungsgrad streiten.
Es steht allerdings jetzt schon fest, daß bisher weder das Amtsgericht Dresden, weder die Anwälte von Michael H. noch der Untersuchungsausschuss zum Sachsensumpf jemals vollständige Akten zur Verfügung hatten.
Die nach 2,5 Jahren immer noch fehlenden hunderten Seiten Verfahrensakten, diese eklatante Missachtung elementarer Verteidigerrechte, inclusive Aktenmanipulation, die wir auch bei den Sachsensumpfverfahren anderer beschuldigter Verfassungsschutzbeamten feststellen mußten, ist Bestandteil der Strategie des in Teilen vordemokratischen Rechtsstaats in Sachsen.
Die bei der letzten Gerichtsverhandlung am 18.5.2015, für den Fall der nicht erfolgten rechtskräftigen Einstellung des Verfahrens, festgelegten fünf weiteren Verhandlungstermine wurden nacheinander, teilweise am Tag vorher, wegen immer noch ungeklärten Akteneinsichten aufgehoben.
Eine reguläre Fortsetzung des Verfahrens, soweit hiervon überhaupt noch gesprochen werden kann, soll nun am 14. September 2015 erneut stattfinden.
Auf welchen dünnen Beinen sich hier der sächsische Rechtsstaat präsentiert, kann man wohl auch dem munteren Ladungs- und Ausladungsspiel und den dann erfolgten Aufhebungsbeschlüssen des Amtsgericht Dresden entnehmen.
3. August Ladung und Termin aufgehoben,
6. August Ladung und Termin aufgehoben,
24. August Ladung und Termin aufgehoben,
25. August Ladung und Termin aufgehoben,
7. September Ladung und Termin aufgehoben
Karl Nolle, SPD Obmann in den beiden Untersuchungsausschüssen
zum Sachsensumpf der 4. und 5. Wahlperiode