spiegel online, 13:07 Uhr, 20.10.2015
Deutschlandfahnen bei Pegida: Finger weg von Schwarz-Rot-Gold!
Ein Kommentar von Sebastian Fischer
Farben der Freiheit, nicht des Hasses: Deutschlandfahnen sind auf Pegida-Demonstrationen allgegenwärtig. Aber da gehören sie nicht hin - das zeigt auch die Rede des Autors Akif Pirinçci.
Es nervt. Und es schmerzt. Wo sich Pegida versammelt, da weht Schwarz-Rot-Gold. Zum Beispiel am Montagabend in Dresden. Von der Bühne hetzte der Autor Akif Pirinçci gegen Flüchtlinge, Politiker, Moslems.
Und vor der Bühne? Deutschlandfahnen.
Das passt nicht. Ganz und gar nicht. Schwarz-Rot-Gold sind nicht die Farben des Hasses, sondern die Farben der Freiheit. Sie stehen für die freiheitliche Revolution von 1848 und für die deutschen Republiken von Weimar und Bonn/Berlin. Sie stehen für Vielfalt statt Einfalt.
Ihre Gegner waren stets die Feinde der Freiheit, die Reaktionäre, die Fremdenhasser.
In der Weimarer Republik verteidigten die demokratischen Parteien unter Führung der SPD über Jahre diese Farben gegen Monarchisten, Deutschnationale, Rechtsradikale. Im "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" schlossen sie sich zum Kampf gegen die Republikfeinde von links und rechts zusammen.
Diese Fahne repräsentiert das Beste, was Deutschland zeitweise durch die Revolution von 1918 und dann schließlich dauerhaft nach der Befreiung durch die Alliierten seit 1945 erreicht hat, erst im westlichen Teil, dann im gesamten Land: Freiheit, Demokratie, Republik.
Dass nun ausgerechnet die Wutmenschen von Pegida mit dieser Fahne und "Wir sind das Volk!" rufend aufmarschieren, das wirkt wie ein Treppenwitz der Geschichte. Wer da mitläuft, der ist nicht demokratisch gesinnt, nicht republikanisch, nicht patriotisch. Und diese Leute sind übrigens auch nicht: das Volk. Sie sind ein kleiner Teil dieses Volkes. Mehr nicht.
Unter Meinungsfreiheit verstehen sie das Verbreiten dumpfer Parolen, das Pöbeln, Rempeln und auch Zuschlagen gegen Journalisten. Da haben sie irgendetwas falsch verstanden. "Tagesspiegel"-Kollege Stephan-Andreas Casdorff weist zu Recht auf die seit dem 19. Jahrhundert bestehende Verknüpfung von Presse- und Meinungsfreiheit mit dem schwarz-rot-goldenen Banner hin.
Die Deutschen hatten über lange Zeit ein verkrampftes Verhältnis zu ihren Farben. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, die Fußball-WM im eigenen Land machte diesen Wandel deutlich. Schwarz-Rot-Gold ist seither nicht mehr nur der Gartenzwerg in Spießerhausen, sondern die Farben sind in der Öffentlichkeit positiv besetzt.
Jetzt aber tarnen sich Hasser und Hetzer mit der Fahne der Republik als besorgte Bürger. Das demokratische Deutschland darf sich seine Farben nicht von Pegida nehmen lassen.
Der Staat muss - wo rechtlich möglich - Härte zeigen. Gegen Hassreden wie die von Pirinçci, gegen das Zeigen von Galgen. Und für die Freiheit. Das ist die Bedeutung von Schwarz-Rot-Gold.