Sächsische Zeitung, 14.05.2018
Geldstrafe für Ex-Verfassungsschützerin
Das Gericht spricht die Angeklagte im „Sachsensumpf“-Prozess in einem Punkt frei. Dennoch wiegt das Urteil schwer.
Vor gut zwölf Monaten hat der Prozess gegen die frühere Verfassungsschutzbeamtin Simone H. (li.) und den Polizeibeamten Georg W. (re.) begonnen. Das Urteil vom Montag wird voraussichtlich bald den Bundesgerichtshof beschäftigen.
Was sich aus Sicht der Angeklagten zunächst wie eine gute Nachricht anhört, ist tatsächlich ein hartes Urteil. Das Landgericht Dresden hat die frühere Verfassungsschützerin Simone H. am Montag vom Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger freigesprochen. Zugleich verurteilte die Strafkammer die Beamtin wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss zu einer Geldstrafe in Höhe von 14 000 Euro.
Der Vorsitzende Richter Joachim Kubista sagte, es sei nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, den sogenannten Sachsensumpf aufzuklären, der vor elf Jahren Politik und Öffentlichkeit bewegt hat. In dem Prozess sei es ausschließlich um die Vorwürfe gegen die damalige Leiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität im Landesamt für Verfassungsschutz gegangen. Die Kammer sah es danach nicht als erwiesen an, dass Simone H. Leipziger Juristen vorsätzlich der Strafverfolgung aussetzen wollte. Zwar habe das Dossier nur mangelhafte Informationen enthalten und hätte nicht als sogenanntes Behördenzeugnis an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden dürfen. Allerdings habe sie selbst geglaubt, genügend handfeste Hinweise auf kriminelle Netzwerke in Leipzig gefunden zu haben. Ursache dafür sei auch ihre unkritische Einstellung zu Quellen des Verfassungsschutzes sowie mangelndes Problembewusstsein gewesen, sagte Kubista.
Der zweite Tatvorwurf der Generalstaatsanwaltschaft betraf eine Aussage von Simone H. als Zeugin im Untersuchungsausschuss des Landtags. Er war eingerichtet worden, um die Hintergründe des Skandals aufzuklären. Simone H. hatte dort gesagt, sie habe weder Akten gefälscht noch manipuliert. Diese Aussage war nach Überzeugung des Gerichts unwahr. Die Angeklagte habe einen in dem Dossier enthaltenen Gesprächsvermerk vordatiert, um ihre Arbeitsergebnisse nicht zu gefährden. Nach einer Gesetzesänderung war dem Verfassungsschutz die Befugnis zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität nur noch unter sehr engen Voraussetzungen erlaubt worden. Aus Sorge, bestimmte Informationen nicht mehr verwerten zu dürfen, habe sie ein falsches Datum verwendet und darüber die Abgeordneten in der Vernehmung nicht korrekt informiert. Das Gericht erklärte einen Teilbetrag ihrer Geldstrafe als vollstreckt. Kubista begründete die Minderung in Höhe von 6 000 Euro mit der langen Verfahrensdauer, unter der die Angeklagte nach eigenen Angaben psychisch und beruflich stark gelitten hat.
Der mitangeklagte Georg W. wurde ebenfalls wegen falscher uneidlicher Aussage im Untersuchungsausschuss zu einer Geldstrafe in Höhe von 7 000 Euro verurteilt. Auch in seinem Fall gilt die Strafe teilweise als vollstreckt. Der pensionierte Polizeibeamte, der dem Verfassungsschutz Informationen über kriminelle Strukturen in Leipzig gegeben hatte, hatte im Landtag auch aus Ärger über die lange Vernehmung eine unkorrekte Antwort gegeben.
Mit dem Urteil folgte das Gericht im Wesentlichen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft. Diese war nach der Beweisaufnahme von ihrem Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger abgerückt. Die Verteidiger der Angeklagten Simone H., Thomas Giesen und Lina Addicks, hatten Freisprüche beantragt. Als Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes könne sie aus rechtlichen Gründen gar nicht wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt werden. Dessen Mitarbeiter seien zur Strafverfolgung nicht berufen. Das Dossier über angebliche Rotlicht-Kontakte von Juristen sei zudem auf Weisung seitens des Innenministeriums entstanden. Simone H. habe sich darauf verlassen, dass sie sich im Rahmen des rechtlich zulässigen bewege, argumentierte seine Mitverteidigerin Addicks. Sie kritisierte zudem, dass der Verfassungsschutz weite Teile der Akten geschwärzt hatte und die Angeklagte nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erhalten habe.
Giesen hatte dem Gericht zudem vorgeworfen, das Verfahren sechs Jahre lang nicht bearbeitet zu haben. „Es gibt in Deutschland keinen Richter, der sechs Jahr lang überlastet ist“, griff er den Vorsitzenden Richter an. Dieser sei zudem „der Sache objektiv nicht gewachsen“ und „ein Ausfall für den Rechtsstaat“, schimpfte Giesen in seinem Plädoyer. Kubista sprach an die Adresse Giesens von Eitelkeit und übersteigertem Geltungsbedürfnis. Die persönlichen Angriffe gingen an dem eigentlichen Ziel eines Anwaltes, die Angeklagte so gut wie möglich zu verteidigen, weit vorbei, kritisierte er. Die Verteidiger wollen gegen das Urteil Revision einlegen.
Von Karin Schlottmann
9 Leser-Kommentare
1.
Ein Opfer 15.05.2018, 10:02 Uhr
Frage an Herrn Schneider von der SZ: Ist das alles wirklich so abstrus? Möge Ihre Presse bezüglich eines anderen Falles daran denken - wenn Sie demnächst wieder über den feinen Herrn und seine zwei Damen von Welt in Ihrer Presse berichten - wie es drei Menschen auf der anderen Seite der Medaille geht. Und unsere Presse sollte sich fragen, ob die Aufklärungsbereitschaft, Hintermänner aufzudecken, wirklich in allen Fällen gleich ist!
2.
Mal ne Anmerkung 15.05.2018, 10:19 Uhr
Wie würde der Schwabe sagen ,"Aber ein Geschmäckle bleibt"!Kann es sein das eine Aufklärung der Vorwürfe politisch nicht gewollt nicht gewollt waren? Ich ,und nicht nur ich haben massive Zweifel an der "durchgeführten Wahrheitsfindung" in 6 Jahren!Und wie die "Wahrheitsfindung" durchgeführt wurde,Einschüchterung von Zeuginnen usw. verstärken diesen Ansatz. Aber Sachsensumpf eben!
3.
Hirsch 01640 15.05.2018, 10:22 Uhr
Will sich denn gar niemand freuen, dass das hohe Gericht nach sechs Jahren wohltuender Stille das Thema "Sachsensumpf" dem Vergessen entreißt und das Interesse der Öffentlichkeit wieder befeuert? Wieviel Merkwürdigkeiten (des Merkens würdig) hat und doch dieser "Fall" schon beschert! Die Wahlkämpfe zur Kommunal- und Landtagswahl 2019 versprechen interessant zu werden.
4.
catenaccio 15.05.2018, 12:02 Uhr
Kein Wort glaube ich dieser Kammer. Schon gar nicht nach sechs Jahren.
5.
KB 15.05.2018, 12:06 Uhr
Eines der Opfer, Mandy Kopp, hat über ihre Erlebnisse ein Buch geschrieben: "Die Zeit des Schweigens ist vorbei". Bitte mal lesen. Im o.a. Artikel steht "Der Vorsitzende Richter Joachim Kubista sagte, es sei nicht Aufgabe des Gerichts gewesen, den sogenannten Sachsensumpf aufzuklären, der vor elf Jahren Politik und Öffentlichkeit bewegt hat". Hatte denn die Justiz überhaupt den Willen, die Wahrheit herauszufinden? Letztendlich saßen dann statt Tätern die Opfer und die Menschen, welche versucht haben, diese Verbrechen aufzuklären, auf der Anklagebank. Da kann man als Bürger und rechtlicher Laie den Glauben an Gerechtigkeit verlieren.
6.
Ein Opfer 15.05.2018, 12:33 Uhr
Jedem, der hier auf die lange Verfahrensdauer hinweist, kann ich nur beipflichten. Wir selber sind Opfer einer Straftat geworden - ganz anderer Bereich - wo auch ein Jurist mit beteiligt war. Den Fall hat man 5 Jahre auf die Bank geschoben, wonach jedes Opfer seelisch am Ende ist. Wir haben leider auch den Eindruck gewonnen, dass unsere Justiz nicht selten, wenn es um Ihresgleichen geht, kaum Bereitschaft zeigt, eine Beteiligung nachzuweisen. Den Prozess hat man mit Starjuristen im stillen Kämmerlein abgewickelt. Denken Sie daran, werte SZ , wenn Sie über den feinen Herrn und seine Familie berichten, wie es drei Menschen auf der anderen Seite geht!
7.
Sören Göhler, Dresden 15.05.2018, 12:45 Uhr
Auch die Nazis waren sich sehr lange sicher, daß sie ungeschoren davonkommen. Leider hat man nach dem Ende der DDR nicht konsequenter durchgegriffen oder wußten gewisse Kreise im Osten bereits, was da so im Westen bezüglich Schweinskram mit Kindern von Seiten dortiger gewisser Kreise abgeht? Vielleicht sollte man sich mal merken, wer konkret besonders an einer Verhinderung der Sachsensumpf-Geschichte arbeitet. Also rein zu Dokumentationszwecken, um irgendwann einmal genauer nachzuforschen...
8.
Frank 15.05.2018, 12:46 Uhr
was der Staat nicht aufklären will, das macht dieser auch nicht. Eine Schande das Urteil. München grüßt, Bremen bald auch !
9.
Hechtler 15.05.2018, 12:55 Uhr
Wenn ich mich erinnere waren in den Sachsensumpf primär Justizvertreter involviert, die im Zuge der Wiedervereinigung aus der dritten und vierten Garnitur West in die erste Garnitur Ost aufrückten, was sich hier sehr schnell negativ bemerkbar machte. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich gewesen, diesem Artikel eine Vita des Richters beizufügen um ihn und das Urteil richtig einordnen zu können.