SAX Dresdner Stadtmagazin Nr. 10/2018, 01.10.2018
Nun steht der Tag der Deutschen Einheit bevor ...
SAXINTRO
Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Das gilt wohl auch für Feiertage, obwohl heute die meisten wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, was zum Beispiel Pfingsten gefeiert wird oder anderswo Fronleichnam und die deshalb am Buß- und Bettag lieber gleich im Bett bleiben. Nun steht der Tag der Deutschen Einheit bevor, dessen Anlass eigentlich klar zu sein scheint und dennoch fragt man sich, was da eigentlich gefeiert werden soll. Natürlich werden auch diesmal wieder Flaggen gehisst, werden die Nationalhymne oder Beethovens Neunte erklingen, aber die Beschwörungen von Einigkeit und Brüderlichkeit werden sich wohl eher wie das berühmte Pfeifen im Walde anhören und die Farben Schwarz-Rot-Gold sind inzwischen auch zum Symbol einer makabren Hütchenmode verkommen.
Denn dem Liedgut mit dem Wunsch nach Gemeinsamkeit steht überall die Realität der Spaltung entgegen. Die nationale Einheit gilt vielen als uneingelöstes Versprechen, in den Parlamenten und in der Regierungskoalition fliegen die Fetzen, auf den Straßen die Fäuste und manche Hände zum »Deutschen Gruß«, die soziale Schere klafft immer weiter auseinander. Selbst in den Parteien, deren Programme gewöhnlich für ein gewisses Maß an wohliger Nestwärme und Gemeinschaftsgefühl sorgten, wird es heute schon als großes Fest der Einheit gefeiert, wenn drei Politikerinnen die gleiche Jacke tragen.
Kein Wunder also, wenn der Versuch einer überparteilichen Sammlungsbewegung nicht etwa beim politischen Gegner, sondern in den eigenen Reihen für Streit und Zwietracht sorgt.
Oder Hambach. Dachte man bisher bei diesem Wort zuerst an jenes Fest, bei dem vor knapp zweihundert Jahren noch nationale Einheit, Freiheit und Volkssouveränität gefordert wurden, kommt einem heute sofort der Hambacher Forst in den Sinn, wo eine dem Untergang geweihte Industrie noch einmal die Muskeln spielen lässt, weil auch mit der letzten Kohle noch Kohle zu machen ist. Der Schutz eines 'Waldes, könnte man denken, habe etwas mit Heimat zu tun, aber der zuständige Minister, irgendwie so eine Art Mutter der Nation, war gerade damit beschäftigt, den obersten Verfassungsschützer zu schützen und über die Mutter aller Probleme zu schwadronieren.
Während sein wahlkämpfender Parteifreundfeind eine ganz eigene Auffassung von der Einheit hat und sich mit der Aussage feiert, den anderen um Lichtjahre voraus zu sein. Vielleicht sind es noch nicht Lichtjahre, die uns trennen, Ost und West, arm und reich, Stadt und Land, alt und jung, aber dass es die Ideologen der Neuen Rechten für die Erreichung ihrer Ziele für unabdingbar halten, die Spaltung der Gesellschaft weiter zu vertiefen, dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben.
Der Tag der Deutschen Einheit steht an, er wird auch diesmal gefeiert, wie er fällt, der Kater aber ist schon vorher spürbar,
WONNE