Karl Nolle, MdL

LVZ, 16.08.2001

Vorwurf: Amigo-Wirtschaft bei Dresdner Wohnungen

SPD-Landtagsabgeordneter Karl Nolle hat jetzt in der Landeshauptstadt eine neue Affäre im Visier
 
Der Aufdecker: Karl Nolle, MdL (Foto: M. Günther)

DRESDEN. Der schwergewichtige SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle ist kein Mann der milden Worte. Seit Monaten profiliert er sich als Aufdecker rund um die Wohnverhältnisse von Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU), jetzt hat er eine neue "Raffzahn-Affäre" im Visier: Mindestens 18 Sozialwohnungen im Raum Dresden, so sein Vorwurf, sollen nach der Wende an hochrangige Politiker und "gute Bekannte" gegangen sein - zu "Traumzinsen ab 0,5 Prozent", gefördert vom Freistaat. Damit würde das sächsische Mietwohnungsbauprogramm unter der Hand zweckentfremdet, "eine Art Sponsoring für Westmillionäre".
Schon allein die Namen der handelnden Personen sind eine Meldung wert. Da ist vor allem die ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes Hürland-Büning, die wegen Schmiergeldvorwürfen beim Verkauf der ostdeutschen Leuna-Raffinerie an den französischen Konzern Elf Aquitaine bereits die Ermittler beschäftigt hat. Laut Nolle hat die CDU-Politikerin in Weixdorf nahe Dresden gleich neun Wohnungen erstanden. Hinzu kommen Karl-Heinz Carl (CDU), bis '99 Finanzstaatssekretär in Sachsen, sowie dessen Sohn mit zusammen drei Wohnungen. Bundesweit bekannt ist Olaf Thon, Profikicker bei Schalke 04, der immerhin mit sechs Wohnungen dabei sei.

Hürland-Büning und Carl kennen sich aus alten Bonner Ministeriumstagen. Sie haben das genutzt, was der Freistaat zwecks Ankurbelung des Mietwohnungsbaus gewährte: Sonderförderung mit Zinszuschüssen über eine Laufzeit von zwölf Jahren. Für Nolle hat das ein "Geschmäckle". Mit Insiderwissen ausgestattete Staatsbedienstete und Bauherren hätten Förderrichtlinien in ihrem Sinne "innovativ ausgelegt". Der bisher bekannt gewordene Deal sei "nur die Spitze eines Skandal-Eisbergs".

In der Staatsregierung sorgt die Attacke für Kopfschütteln. Die Finanzierung der Programme sei "üblich und sinnvoll" gewesen, um den damaligen Bedarf an Mietwohnraum zu decken, sagt Thomas Uslaub vom Innenministerium. Vor allem aber stellten sie "kein Geheimwissen" dar, sondern waren für alle zugänglich - als "Anreiz für potenzielle Investoren". Und dank Mietpreisbindung hätten die Geldgeber auch keine Traumgewinne erzielen können, so Uslaub.

Für Nolle ist dies nur die halbe Wahrheit, er wittert weiter "Amigo-Wirtschaft". Mit parlamentarischen Anfragen gleich im Viererpack will der SPD-Mann die Hintergründe beleuchten. Letztlich aber geht es ihm um etwas anderes: um das sächsische "Dreieck aus Beziehung, Begünstigung und Untreue". Schließlich sei es ein Unding, meint Nolle, dass jene, "die Gesetze machen, sich am Ende selbst bedienen".
(Jürgen Kochinke)

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