Sächsische Zeitung, online-Redaktion, 15.04.2002
Maulkorb für Nolle - was bringts?
Vergleich zwischen Staatsminister Meyer und Karl Nolle. Von Tino Nieschwitz, online-exklusiv
Der sächsische Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) hat vor der 5. Kammer des Landgerichts Dresden einen Vergleich mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle geschlossen. Auf eine Vertragsstrafe wurde verzichtet. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Nolle verpflichtet sich dazu, zukünftig u.a. nicht mehr zu behaupten, Meyer habe beruflich eng mit dem ZK der SED zusammengearbeitet.
Auch hatte Nolle den Wissenschaftsminister der Lüge im Parlament bezichtigt.
(der dazugehörige Antrag ist von Meyer im Vergleich zurückgezogen worden)
Nach Ansicht Nolles handelt es sich bei der Auseinandersetzung um einen politischen und keinen juristischen Streit. Deshalb erachtet er es auch als wenig hilfreich, wenn der Streit nun vor Gericht geklärt wurde. Vielmehr wirft der "Biedenkopfjäger" ihm eine mangelnde politische Streitkultur vor. Die Klägerseite zeigte sich zufrieden mit dem Vergleich. Alle Streitpunkte wurden damit ausgeräumt.
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Das Gespräch führte Tino Nieschwitz, online-exklusiv
Herr Nolle, wie empfinden Sie den Vergleich?
Vergleich heißt immer, dass beide Seiten Federn lassen müssen. Ich kann mit diesen Vergleich leben. Das was ich politisch sagen wollte, habe ich getan. Es ging immer nur um eine politische Auseinandersetzung und nicht um eine Tatsachenbehauptung in dem Sinne. Es ging darum zu sagen, dass Meyer ein Wendehals ist und in der DDR äußerst sensible Funktionen wahrgenommen hat. Er war ein Teil des Nomenklaturakadersystems der SED. Jeder weiß, was das bedeutete. Die Mitglieder dieses Systems mussten alle vier Jahre bestätigt werden. Es war durchaus so, dass da Nichtparteimitglieder und Mitglieder anderer Parteien vertreten waren. Das hing allein davon ab, welche gesellschaftspolitische Funktion sie inne hatten. Meyer war als stellvertretender Direktor Erziehung und Ausbildung in der Zeit von 1973 - 1977 für die kommunistische Erziehung der Studenten zuständig- so das Buch "Die Hochschule der DDR" in der Beschreibung dieser Funktion. Er ist heute der oberste Laienkatholik, da fragt man sich wie das zusammenpasst.
Glauben Sie das die politischen Auseinandersetzungen zukünftig stärker juristisch geführt werden?
Ich hoffe nicht, dass sie juristisch geführt werden. Man hat ja heute auch gehört, dass es eigentlich um Wortklauberei ging. Es bestand und besteht dabei die Gefahr, dass der politische Inhalt oder die politische Absicht dabei zu kurz kommt. Nun ist es ja so in diesem Falle, dass Herr Minister Meyer das Gericht angerufen hat und nicht ich. Ich denke, er wäre viel klüger gewesen, hätte er diese alte Sache auf sich beruhen lassen. Anstatt es wieder neu aufzukochen. Er hat uns erst jetzt in die Gelegenheit versetzt, zu recherchieren. Dadurch haben wir Dinge aufgedeckt, die wir vorher so nicht wussten. Dafür bin ich auch dankbar für diese Gelegenheit.
Denken Sie, dies ist ein letztes Scharmützel der endenden Biedenkopf-Ära?
Nein, dies ist nicht ein letztes Scharmützel der endenden Biedenkopf-Ära gewesen. Die Biedenkopf-Ära geht weiter, weil die Vorgänge die vorhanden sind und die Abläufe weiterhin aufgeklärt werden müssen. Nur diese Aufgaben muss nun die Staatskanzlei unter einem Ministerpräsidenten Milbradt wahrnehmen. Da hoffe ich sehr, dass Herr Milbradt sich tatsächlich zum Aufklärer entwickelt und nicht die Wahrheit unter den Tisch kehrt, wie es bei Biedenkopf der Fall gewesen ist.