Sächsische Zeitung, 22.12.2002
Schöne Bescherung
Sächsisch betrachtet - Kommentar von Gunnar Saft
WEIHNACHTEN ist bekanntlich das Fest der Nächstenliebe. Kein Wunder, dass im Vorfeld von Heiligabend selbst hartgesottene Politiker Gefühle zeigen. Diesmal erwischte es die SPD-Frontschnauze
Karl Nolle, der unerwartet von Einsicht heimgesucht wurde. Während der jüngsten Debatte im Landtag attackierte der Zwei-Zentner-Mann zunächst, wie gewohnt, die CDU-Fraktion mit derben Sprüchen. Doch nach seiner Bemerkung „Ihr seid ja zu blöd zum Geld abheben“, gab es diesmal einen Ordnungsruf des Parlamentspräsidenten. Und siehe da, Nolle zeigte plötzlich Reue und korrigierte sich lautstark. „Ok, ich ersetze das Wort blöd durch dumm.“ Was für ein herzzerreißender Weihnachtsfrieden unter Politikern!
ABER es gibt noch viel vernünftigere Sozialdemokraten. Sachsens SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl kämpft jetzt zum Beispiel dagegen an, dass die Zigarettenindustrie schwere Umsatzeinbußen hinnehmen muss. In einem Zeitungsbeitrag sprach sie sich kategorisch gegen das von der EU geplante Werbeverbot für Tabakwaren aus. In Zeiten unsicherer Arbeitsplätze ist diese Unterstützung für die Blaue-Dunst-Industrie natürlich nur zu begrüßen. Leider verschwieg die Politikerin, dass sie nicht ganz uneigennützig handelt. Krehl ist seit Jahren leidenschaftlich abhängige „Marlboro-Light“-Raucherin. Und wahrscheinlich hat sie nur Angst, dass ihr ohne Tabakwerbung jemand die falschen Glimmstängel untern Weihnachtsbaum legt.
MIT einer Fest-Überraschung will uns natürlich auch die Junge Union beglücken. Nur haben sich die Nachwuchs-Christdemokraten diesmal Eigenartiges ausgedacht. So wird man am Wochenende auf Weihnachtsmärkten in Meißen und Radebeul Geschenke an die jüngsten Besucher verteilen. Leider werden die Kinder bei der Übergabe mächtig stutzen, denn statt eines Schoko-Weihnachtsmanns bekommen sie bunte Osterhasen in die Hand gedrückt. Bei der JU freut man sich dagegen schon diebisch, denn auf den Süßigkeiten werden Zettel kleben, die allein für die Erziehungsberechtigten gedacht sind: „Rot-Grün in Berlin. Fühlen Sie sich auch verarscht?“ Man muss hoffen, dass die vom Einkaufsstress genervten Eltern dann nicht nur den zweiten Satz lesen.