Das Parlament, 53. Jahrgang, Nr. 8, 17.02.2003
Motivsuche für eine seltsame Affäre
Untersuchungsausschuss: Rittinghaus gegen Staatsregierung
DRESDEN. War es ein Zufall, dass die Gebrüder Rittinghaus mit ihren Anwälten just an dem Tag in Dresden weilten, als der Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzte? Ulf und Ernst W. Rittinghaus, einst als Vorzeigeunternehmer hochgelobt, waren mit ihrem Versuch, den Zwickauer Automobilzulieferer Sachsenring AG zu sanieren, im vergangenen Jahr gescheitert. Zu viel auf einmal gewollt, munkelt man in der Fachwelt.
In der Tat haben sich die Unternehmer aus dem Sauerland nicht mit dem Zwickauer Trabant-Werk zufrieden gegeben; sie wollten auch noch das marode Zentrum für Mikroelektronik in Dresden (ZMD) dazu haben. Die Landesregierung war heilfroh, den Ladenhüter endlich loszuwerden und erklärte sich bereit, bei der Europäischen Union 25 Millionen Mark an Fördergeldern für das Werk zu beantragen.
CDU will Vorwürfe widerlegen
So weit, so normal. Was dann kam, soll jetzt den Untersuchungsausschuss beschäftigen. Der Antrag auf Fördermittel wurde noch einmal um vier Millionen Mark aufgestockt. Um alte Verbindlichkeiten von ZMD abzugelten, sagen Wirtschafts- und Finanzministerium in Dresden. Um eine Imagekampagne quasi zu refinanzieren, behaupteten die Gebrüder Rittinghaus. Sie waren im vergangenen November mit der Version an die Öffentlichkeit getreten, sie hätten auf Bitten des damaligen Wirtschaftsministers im Jahre 1999 vier Millionen Mark für die Pressekampagne „Sachsen für Sachsen" zur Verfügung gestellt.
Diese Behauptung dürfen sie mittlerweile nicht mehr wiederholen; der als integer geschätzte und als Spendensammler nie in Erscheinung getretene Ex-Wirtschaftsminister des Freistaates, Kajo Schommer (CDU) hat nicht vor, sich im politischen Ruhestand seinen guten Ruf verderben zu lassen. Er setzte sich
mit einem Strafantrag gegen die Anwürfe zur Wehr. Die Unternehmer hingegen versuchen, den Freistaat für ihre Pleite mit verantwortlich zu machen und verlangen mehrere Millionen Euro Entschädigung.
Während neutrale Beobachter bei der Motivsuche für die Vorwürfe der Rittinghaus-Brüder durchaus an die Vorstandshaftung für pleite gegangene Unternehmen denken, hat die Opposition im Sächsischen Landtag Morgenluft gewittert. Sie möchte der Staatsregierung zu gerne nachweisen, dass die Imagekampagne für Sachsen seinerzeit eine verkappte Wahlwerbung für die CDU war, die letztlich aus Fördermitteln finanziert wurde. „Einstweilige Verfügungen hin oder her - es gibt genug Klärungsbedarf", meint der Fraktionsgeschäftsführer der PDS, Andre Hahn. Vor allem die zeitliche Nähe der Unternehmer-Spende zum Aufstocken des Fördermittelantrages sticht ihm ins Auge.
Für SPD-Obmann
Karl Nolle geht es darum, das "System von Fördern und Fordern" aufzudecken, das Sachsens Regierung und CDU zum Machterhalt betreibe. Die Regierungspartei gibt sich betont sachlich. Der Untersuchungsausschuss sei ein parlamentarisches Instrument, ließ sich CDU-Obmann Klaus Leroff vernehmen, mittels dessen man die erhobenen Vorwürfe prüfen und widerlegen werde.
Nachdem in der vergangenen Legislaturperiode bereits ein Versuch der Opposition gescheitert war, der Staatsregierung per Untersuchungsausschuss eine „Amigo"-Mentalität nachzuweisen, gibt dieser zweite Anlauf ihr die Gelegenheit, womöglich bis ins Landtags-Wahljahr 2004 hinein über Affären zu reden. Dass sie neben dem ehemaligen Wirtschaftsminister und dem ehemaligen Regierungssprecher auch den derzeitigen Ministerpräsidenten als Zeugen vorladen will, darüber gibt es keinen Zweifel. Doch zunächst steht intensives Aktenstudium an. Mit der Zeugenbefragung wird nicht vor April gerechnet.
(Astrid Pawassar)