Deutscher Drucker Nr. 6, 11.02.1999
Mit dem IRD auf dem Weg in eine bessere Zukunft
Fachtagungen 34. IRD-Jahrestagung
Vom 26. - 27. Januar 1999 fand die diesjährige IRD-Jahrestagung aufgrund des 30-Jahre-Jubiläums der Schweizer IRD-Mitgliedergruppe in Luzern statt. Während der erste Tag der Mitgliederversammlung gewidmet war - der Vorstand wurde wieder gewählt, s. DD 5/99, Seite g5 -, bot der zweite Tag in der Fachveranstaltung Unternehmensführung hochkarätige Fachvorträge. Kurt K. Wolf war dabei.
IRD-Institutsleiter Frank Freudenberg eröffnete nach einer kurzen Einleitung die Fachtagung mit zwei Vorträgen über das Thema Investitionen, die unterschiedlicher nicht sein konnten.
Im ersten Vortrag hielt der redegewandte Prof. Dr. Matthias Varga von Kibéd scheinbar aus dem Stegreif einen Vortrag unter dem Titel »Barrieren, Visionen, Strategien - der Rahmen für Innovationen und Investitionen«, der leicht verständlich daherkam, aber schwieriger umzusetzen sein dürfte.
Das Problem mit der Krise in der Druckindustrie sei, dass sie so langsam zunehme, dass man es im Alltag nicht genug merke. Außerdem genüge eine Krise allein nicht, um uns zur Änderung zu bewegen, weil Leiden so leicht sei. Wer Auswege aus der Krise suche, der müsse das Leiden vergrößern und aus seinem Dilemma ein Tetralemma machen. Der Versuch, die immer schneller werdenden Zyklen in unserer Industrie dadurch meistern zu wollen, indem wir noch etwas schneller und mehr arbeiten, sei zum Scheitern verurteilt, weil es ein linearer Lösungsansatz sei.
Das Problem sei nur durch eine Änderung der eigenen Haltung zu lösen, nicht durch eine Änderung der Umstände. Um aber unsere Haltung zu ändern, müssten wir erst einmal unser Problem simulieren. Dazu könne man die komplexen, aufwendigen Computer-Simulationen einsetzen, oder aber den eigenen Körper. » Wir können mit unserem ganzen Körper in einer Gruppe Dinge wissen, die jeder Einzelne in der Gruppe nicht weiß«, beschrieb er den Effekt der Teamarbeit. » Wir haben eine unglaubliche Fähigkeit, die Veränderung von Strukturen wahrzunehmen, wenn wir uns in die Dinge hineinversetzen.« Um also die Probleme zu lösen, solle man Fragen aus vier verschiedenen Kontexten, also Sichtweisen stellen. Der vergangene Kontext stelle Fragen wie: Warum habe ich das Probleme? Wie kam es zu dem Problem? Der zukünftige Kontext laute: Wenn wir das Problem gelöst hätten, womit müssten wir dann fertig werden? Welcher Verantwortung müssten wir uns stellen, wenn wir Erfolg hätten? Der gegenwärtige Kontext frage: Was sehe ich gerade nicht? Sehe ich das Problem richtig? Im vierten Kontext stehe die Frage: Was erhielt seinen Sinn durch das Dilemma?
Erst die Simulation des Tetralemmas in der Gruppe ändere die Ansichten und löse Änderungen aus. Eine andere Sichtweise der Probleme ermögliche manchmal eine Veränderung, die wir anders mit keiner Vermehrung von Druck und Leid hätten erreichen können. Und die Annahme eines Unternehmers, das sei etwas, was er allein machen kann, so schloss Varga von Kibéd seine Rede, sei absurd.
Ihm zuzuhören war ein reiner Genuss, und er lockerte seine Rede mit einigen Beispielen auf, in der die Zuhörer durch eigene Übungen ihr Körperempfinden prüfen konnten.
Ganz anders hielt danach Dipl.-Ing. Eckhard Bölke vom IRD seinen Vortrag unter dem Titel: »Richtig investiert. Der Weg zur sicheren Entscheidung.« In seiner Rede zeigte er am Beispiel einer Ersatzinvestition auf, welche Punkte zu beachten sind, wenn man alles richtig machen will. Am Beispiel einer zu kaufenden Achtfarbenmaschine zeigte er in deutscher Gründlichkeit den richtigen Entscheidungsweg in sechs Phasen auf. Die Ausgangslage Markt und Technologie, die Zielsetzung, das Anforderungsprofil, die Produktivitätsanalyse, die Investitionsrechnung und die Erfolgskontrolle beleuchtete er in voller Tiefe und legte damit eine Arbeit vor, die sich jedes IRD-Mitglied besorgen und vor Investitionen benutzen sollte. Allerdings war der Versuch, den Stoff eines halben Seminartages in einen dreiviertelstündigen Vortrag pressen zu wollen, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Trotz der Unterschiedlichkeit beider Vorträge ergänzten sie sich beim Thema der Investitionen in idealer Weise. Nach der verdienten Pause stellte Frank Freudenberg dann drei Unternehmer vor, die ihre Konzepte für erfolgreiche Innovationen und Investitionen vorstellten.
Von der Druckerei als Allrounder zum Kostenführer
Karl Nolle,
Druckereiunternehmer aus Dresden, erzählte den Zuhörern seine Geschichte, die eigentlich zwei Geschichten waren. Die eine enthielt die Botschaft, dass er nach zwanzigjährigem erfolgreichen Einsatz in Hannover 1990 eine Druckerei in Dresden kaufte und sie mit alten Maschinen und erneuerungsbedürftigen Einstellungen seiner Mitarbeiter auf westlichen Standard zu bringen versuchte. Er merkte, dass dies seinen ganzen Einsatz und den seiner Frau brauchen würde, brach deshalb die Brücken ab und verkaufte seine Druckerei in Hannover. Dadurch bekam er auch das Kapital, den Betrieb neu einzurichten und zu einer der fortschrittlichsten Druckereien der neuen Bundesländer zu machen. Damit beginnt der zweite Teil seiner Geschichte, denn mit 80 % CtP-Produktion für seine Achtfarbenmaschine im 70 x 100-Format steht die Schaffung der Produktionssicherheit an höchster Stelle. So verursacht ein Jobwechsel, der wegen eines Problems auf einer Platte nötig wird, an der Achtfarbenmaschine viermal höhere Kosten als auf einer Vierfarbenmaschine. Das ist auch der Grund, warum der Produktionssicherheit in der Vorstufe besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
An der Druckmaschine hat er eine ganze Reihe von innovativen Lösungen eingebaut. Das beginnt mit der Luftversorgung, für die er die wartungs- und verschleißfreien Drehkolbenpumpen von Merlin einsetzt. Dank der mess- und regeltechnisch rechnergesteuerten Luft- und Vakuumerzeugung über das zentrale System erzielt er Energiekosten-Einsparungen von über 60 000 DM jährlich.
Als zweites wird die Farbtemperatur der Druckfarben in allen Druckwerken berührungslos gemessen. Steigt die Farbtemperatur zu hoch, wird verstärkte feuchte Kühlung erzeugt und das Tonen vermieden.
Durch die MasterFlo-Anlage wird seit einem Jahr eine feste Feuchtmitteleinstellung möglich, die um 25 % weniger Wasser, Alkohol und Wischwasserzusatz verlangt. Weitere Einsparungen wurden durch eine zentrale Kühlmittelerzeugung für alle Kühlsysteme, die Farbwerktemperierung und die Feuchtwasserkühlung erreicht. Durch eine spektralphotometrische Messung wird der Isopropanol-Alkoholgehalt im Feuchtwasser auf 0,3 % genau gemessen und geregelt. Dadurch kann der Alkoholgehalt auf den Grenzwert heruntergefahren werden und bis zu 40 % Alkohol eingespart werden.
Die ganze Druckerei wurde für das Datacontrol-System von Heidelberg mit einem 100-Mbit-Netz verkabelt, wodurch sie sich auf dem Weg zur voll vernetzten Druckerei befindet. DD wird darüber noch näher berichten.
Nischenmärkte erfolgreich besetzen
Als nach dem Mauerfall die fetten Jahre für Berliner Unternehmen vorbei waren, kamen die Druckereien voll unter den Preisdruck der umgebenden neuen Bundesländer. Paul Dillinger von der Oeko Druck Dillinger Print Medien, Berlin, unterstellte sich diesem Druck nicht, sondern ging sogar in die Offensive. Er stellte seinen Betrieb ganz auf eine ökologische Produktion um. Die Mitteilung im Impressum: »Gedruckt auf chlorfreies Papier« verschleiere nur, wie viel umweltschädliche Chemie in einer Druckerei verwendet wird. Sein Maß- nahmenkatalog umfasste deshalb:
Drucken auf Umweltpapiere
Drucken im wasserlosen Offset mit hoher Farbbrillianz
chemiearme Plattenentwicklung ohne Fixierung und Gummierung
hoch auflösend drucken bis zum 240er-Raster
Er tat nicht nur Gutes, sondern sprach auch darüber, änderte den Firmennamen auf »Oeko Druck« und ging damit in die Werbung. Neben den bestehenden Kunden gewann er viele neue hinzu, die den Aspekt des Umweltschutzes in der Druckerei ebenfalls erwähnten. Besonders schätzen viele Kunden, dass sie trotz des Einsatzes von Umweltpapier Drucke mit brillanten Farben bekommen, was Paul Dillinger auf seine sorgfältige Auswahl der Druckfarben und den wasserlosen Offsetdruck zurückführt.
Vom Vorstufenunternehmen zum Multimediaproduzenten
Michael Volland von der Firma ViaOne! Multimedia, einer Firma der Mediengruppe Essen, schilderte sehr detailliert, wie man eine Multimedia-Firma gründen und gezielt zum Erfolg führen kann. Er brachte ViaOne! als Beispiel, wobei er die Ausgangssituation und Zielsetzung beschrieb, die Umsetzung, und den Aufwand an Zeit und Kosten. Er unterließ nicht zu erläutern, welche Fehler man selber gemacht habe und wie man sie umgehen kann.
Wer von den Zuhörern ernsthaft den Einstieg in diesen Markt erwägt, bekam wertvolle praktische Hilfe geboten. Mit keinem Wort erwähnte Volland, dass ViaOne! seine Erfahrung auch durch Kooperation mit Partnerfirmen weitergibt, um sich den Vorwurf zu sparen, den Vortrag für Werbung zu nutzen.
Die externe Finanzierung: Kriterien für die Einschätzung
Dipl.-Kfm. Thomas Reuther von der Dresdner Bank in Frankfurt zeigte auf, nach welchen Kriterien Banken heute ihre Kreditkunden beurteilen, was sehr interessant, wenn auch nicht neu war. Neben den Markt- und Wettbewerbsbedingungen sind es die Einschätzung des Managements, der Ertragslage, der Finanzlage, der Geschäftsprognosen, der Zertifizierungen, und die Vorbereitungen auf den Jahrhundertwechsel und die Einführung des Euros. Dann führte er die Finanzierungsmöglichkeiten in der Druckindustrie, für die Schweiz, Österreich und Deutschland aus.
Bei großen Investitionen gibt es in der Schweiz normal keine Zinsverbilligungen oder staatliche Subventionen, nur einzelne Kantone geben teilweise massive Steuererleichterungen bei Neugründungen.
In Österreich kann man im Rahmen der EU-Grundsätze Investitionszuschüsse bis zu 30 % der Investition bekommen, wenn man z. B. eine umweltfreundliche Offsetdruckmaschine kauft, bei der die Waschmittelmenge, die Makulatur und die Emission von Alkohol im Feuchtwasser stark reduziert werden.
In Deutschland kann man in den neuen Bundesländern und in strukturschwachen Gebieten Zuschüsse zu förderfähigen Investitionsvorhaben und zinsreduzierte Kredite bekommen.
In den alten Bundesländern kann man durch Darlehen bei der »Deutschen Ausgleichsbank« in Bonn oder der »Kreditanstalt für Wiederaufbau« in Frankfurt verbilligte Zinsen bekommen. Die Förderanträge werden in der Regel von der Hausbank an die Förderinstitute weitergeleitet.
Förderungen durch die Europäische Union
Von der Europa Bank AG, Luxemburg, einer Tochterfirma der Dresdner Bank, war Dipl.-Vw. Clemens Beer gekommen. Die Förderprogramme der EU für Joint Ventures in Mittel- und Osteuropa und der GUS (JOP) sowie für Afrika, der Karibik und Pazifik (CDI) sowie für Mittel- und Südamerika, Asien, den Mittelmeerraum und Südafrika (ECIP) dürften die wenigsten Zuhörer interessiert haben.
Die Förderprogramme für Firmen innerhalb der Europäischen Union dürften umso mehr Interesse geweckt haben. Mittelständische Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern und bis zu 75 Mio. DM Umsatz können Förderbeiträge zu den Kosten eines Joint Ventures bis zu 100 000 DM bekommen und in der zweiten Phase nochmals bis zu 100 000 DM Investitionszuschuss, höchstens jedoch 10 % der Gesamtinvestition.
Ähnliche Förderbeiträge stehen auch für Joint Ventures, Kooperationen im Marketing und Know-how sowie Lizenzabkommen für die osteuropäischen Phares- und Tacis-Länder zur Verfügung.
Alle Anträge für diese Förderprogramme lässt die EU von Vertragsbanken aufbereiten und zur Genehmigung vorlegen, für die Dresdner Bank macht dies die Europa Bank AG in Luxemburg.
Von der Druckerei zum erfolgreichen Mediendienstleister
Als letzter Beitrag wurde das Manuskript des kurzfristig erkrankten Ernst-Herbert Ullenboom verlesen, dessen Betrieb Gronenberg Druck und Medienservice gerade in DD 5/99 beschrieben wurde. Der Wandel von der Druckerei zum neuen Mediendienstleister wurde zielbewusst energisch durchgeführt, man bildet jetzt Kollegenbetriebe in der Arbeitsgruppe »Neue Medien« aus.
Mit diesem Vortrag endete der Tagungstag, der zwei verschiedene Blickwinkel für Investitionen zeigte, in dem drei Unternehmer ihre erfolgreichen Konzepte vorstellten, zwei Banker zeigten, wo man sich Förderzuschüsse holen kann und zum Abschluss ein weiterer kreativer Unternehmer, der auf dem Weg zum Mediendienstleister seine Kollegen mitnimmt. Mehr kann man von einem Fachkongress wirklich nicht verlangen.
(Deutscher Drucker)