Dresdner Morgenpost, 31.05.2003
Wenn der Chef auf Reisen geht...
Kolummne von Stefan Locke
Unser Ministerpräsident in Afghanistan! Haben Sie das gesehen? Spitze, wie Georg Milbradt mit Basecape (locker!)und Bleiweste (sicher!) die Hausaufgaben von afghanischen Schülern kontrollierte. Und wie er dann mit im Schützenpanzer Patrouille fuhr! Weltklasse! Absolut sympathisch. Wir Sachsen sind wieder wer. Zumindest am Hindukusch. Wenn Joschka Fischer nächste Woche Weltaußenminister wird, übernimmt der Sachsen-Schorsch, wie wir liebevoll zu sagen pflegen, ganz sicher das Auswärtige Amt in Berlin.
Nur: Was wird dann aus der sächsischen Regierung? Die Sorge ist berechtigt. Denn das Kabinett - nur mal für ein paar Tage allein gelassen - konnte sich nicht beherrschen. „Macht keinen Unsinn", hatte Milbradt vor Abreise noch gesagt- vergeblich. Kaum war der Chef weg, tanzten die Minister Samba. Allen voran Innenminister Horst Rasch. Sonst eher unter Milbradts Fuchtel, schaffte Rasch in der temporär gewährten Freiheit mal eben die Polizeipräsidien ab. Ein Befreiungsschlag? Man konnte ihn gerade noch bremsen, gleich die gesamte Polizei mit zu erledigen. Das wäre eine Reform gewesen! Und Rasch hätte sich endlich einmal durchgesetzt.
Anschließend war Damenwahl und
Sozialministerin Christine Weber betrat das Parkett. Hat ein bisschen Fluthilfe kassiert. Stünde ihr auch zu - wenn es einen Fluss in ihrer Hausnähe gäbe, der sie im August ungebetener weise besucht hätte. Nun wohnt Frau Weber aber hoch oben am Berg. Trotzdem floss der Fluthilfe Antrag mit dem prominenten Namen den Beamten in Webers Heimat-Gemeinde und -Landkreis mal eben so ungeprüft durch die Finger. Bürokratische Inkontinenz gepaart mit akuter Prominenzialitis? Frau Webers Konsequenz: „Nur wenn Georg Milbradt es fordert, zahl ich das Geld zurück." Genau! Völlig wurscht, ob der Antragberechtigt oder unberechtigt war. Oh Schorsch, sag mir, was tu ich heute!
So viel Aus-der-Reihe-Tanzen macht durstig. Zum krönenden Abschloss dieser knallharten Polit-Woche bat Finanzminister Horst Metz deshalb alle Sachsen an die Theke. „Mehr Bier trinken", forderte Metz offiziell. Früher hieß es mal „Mehr Demokratie wagen". Aber die Zeiten sind eben eher zum Besaufen. Oder, wie Franz -Josef Wagner (der es genau wissen muss) formulierte: „Saufen ist Weinen". Metz will das jetzt in güldenen Lettern über seinem Ministerium eingravieren lassen. Mit dem Geld aus der Biersteuer, versteht sich. Na dann mal Prost!