Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 04.06.2003

Weber kämpft um Pensions-Million

Fall von Sachsens Sozialministerin zieht Kreise - Austrittsdrohungen an der Parteibasis
 
DRESDEN. Wird Sachsens Sozialministerin Weber noch 54 Tage im Amt gehalten, hat sie Pensionsanprüche in Millionenhöhe. Legt sie vorher ihr Amt nieder, erhält sie ein im Vergleich zur lebenslangen Penion niedrigeres und befristetes Übergangsgeld. Das würde sich “nur” auf rund 65.000 Euro beziffern.

Weber wurde am 27. Oktober 1999 als Ministerin vereidigt und erwirbt nach drei Jahren und 273 Taen einen Anspruch auf Pension. Das ergibt sich aus dem sächsischen Ministergesetz, Paragraf 13, Absätze eins und vier. Danach stehen einem Ex-Regierungsmitglied 43.05 Proent der letzten Bezüge zu. Das wären bei Weber, die in der Gehaltsruppe B11 derzeit 9421 Euro kasiert, 4055 Euro. Auf ein Jahr hocherechnet hätte die Ministerin einen Anspruch auf 48.660 Euro - und den das ganze Leben lang. Macht auf wanzig Jahre hochgerechnet etwa eine Million Euro Pensionsansprüche. Im Vergleich. dazu erhalten durchschnittsbürger, die ihr Berufsleben lang in die Rentenkasse einzahlen, erst mit 65 Jahren einen Rentenanspruch. Der ist selbst bei guten Verdienern maximal halb so hoch. Die Zahlung wird gekürzt, wenn Otto-Normalbürger vorher in Rente gehen möchte.

Diese Rechnung lässt das Festhalten der Regierung an der angeschlagenen Ministerin noch in einer völlig anderen Dimension erscheinen. Wird sie gar wegen der Pensionsansprüche im Amt gehalten? Bei den offiziellen Pressekonferenzen und Gesprächen in Dresden machte diese Rechnung noch niemand auf. Dennoch weht Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt der Sturm ins Gesicht. Er hatte gestern das Visier tief heruntergezogen und seine Antworten auf den Satz „Kein Kommentar" beschränkt. Doch längst ist der Schwächeanfall seiner Regierung über die Grenzen des Freistaates ein Thema. Es habe sich herumgesprochen, wie in Sachsen eine angeblich vom Hochwasser geschädigte Ministerin Gelder abgegriffen hat, meldete sich die Dresdner Grünen-Abgeordnete Antje Hermenau aus Berlin. Als haushaltspolitische Sprecherin der Grünen habe sie sich für eine schnelle Lösung zugunsten jener Opfer ins Zeug gelegt, die praktisch vor dem Nichts standen und deren Existenz gefährdet war. Jetzt drohe Ansehensverlust für Sachsen. Der Freistaat hatte ja nicht nur den Löwenanteil der Bundesmittel erhalten. Es flossen ja auch tausende Spenden von Kleinverdienern ins Land, die wesentlich weniger zur Verfügung haben als eine Ministerin.

„Zwölf Jahre allein zu regieren, bewirkt, dass alles wie in einer Sippe passiert.” Mit diesen Worten deutet Hermenau an, dass die Behandlung der Anträge Webers durch Zschopaus Oberbürgermeister Klaus Baumann auch auf einem hohen Maß an Polit-Filz basieren könnten.

Gereizt ist die Stimmung auch an Webers Heimatbasis. Günther Schneider, CDU-Vorsitzender im Mittleren Erzgebirgskreis, will am Freitag bei einer Vorstandssitzung von der Ministerin Aufklärung verlangen. Den Tenor der Mitglieder-Anrufe beschreibt Schneider so: „Wenn Weber nicht zurücktritt, treten wir aus.” Anni und Franz Günel, langjährige Mitglieder aus Pobershau, haben diesen Schritt bereits schriftlich angekündigt.

Der Chef der sächsischen Aufbaubank, Jochen Freiherr von Seckendorff, versuchte gestern, die Zahlungen an die Sozialministerin mit der enormen Antragsflut im Herbst 2002 zu rechtfertigen. „Bei 56.000 Anträgen kann ich Fehler nicht ausschließen", nahm Seckendorff den „Schwarzen Peter" an sich. „Wir haben unsere Pflicht getan," sagte der Chef der landeseigenen Bank - in diesem Fall vielleicht zuviel des Guten. Denn die Informationen, die lange vor dem Einreichen des Weber-Antrages vorlagen, waren eindeutig. Der Antrag sei zwar nicht rechtswidrig gewesen, aber trotz Nichtbeachtung der Information aus dem Innenministerium genehmigt worden.
(Eva Prase und Hubert Kemper)

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