Freie Presse, 10.06.2003
Kompletter Ortsverein gibt CDU-Parteibuch ab
Fall Weber bringt Fass zum Überlaufen - Ablösen ist Milbradts Sache
WOLKENSTEIN. Die von der Affäre um Sozialministerin Christine Weber ausgelöste Krise im CDU-Landesverband Sachsen hat sich am Wochenende verschärft. Der komplette Ortsverband Deutscheinsiedel verließ mit acht Mitgliedern die Partei. Nach dem Verdruss über die kräftige, von der CDU-Mehrheit im Landtag beschlossene Diäten-Erhöhung habe das Verhalten der Milbradt-Ministerin Christine Weber bei der Inanspruchnahme von Fluthilfegeldern für ihr Hangwasser-geschädigtes Privathaus in Zschopau das Fass zum Überlaufen gebracht.
Der Fall Weber stand auch im Mittelpunkt einer Sitzung des CDU-Kreisvorstandes am vergangenen Freitag nahe Wolkenstein. Generalsekretär Hermann Winkler registrierte dabei die Schallwellen, die das Verhalten der Vize-Landesvorsitzenden in ihrer erzgebirgischen Heimatregion ausgelöst hat. Missbilligung fand vor allem die forsche Nutzung des Dienstweges, den Weber beim Durchfaxen ihres Fördermittelantrages vom Sozialministerium zu Zschopaus Oberbürgermeister Klaus Baumann beschritten hatte.
Sie bedauere die Entwicklung, die ihr Verhalten ausgelöst hat, bekannte die Sozialministerin, die eine Stunde verspätet zur Kreisvorstandssitzung stieß. Doch ebenso wie ihr Architekt Harald Ossmann verteidigte Weber die Berechtigung ihres Antrages. Eine Rücktrittsforderung ersparte der Kreisvorstand seiner bisherigen Schutzpatronin. „Das ist Sache des Ministerpräsidenten", verwies Kreisvorsitzender Günther Schneider auf die verantwortliche Adresse.
Es handele sich nicht um eine Kampagne gegen eine einzelne Person, betonte Schneider, sondern um die Reaktion auf deren Verhalten. Der Weber-Rivale, der die Sozialministerin vor 15 Monaten als Kreisvorsitzender abgelöst hatte, lässt weiter offen, ob er 2004 für ein Landtagsmandat antreten will. Bisher vertritt Weber den Wahlkreis Mittleres Erzgebirge im Landtag.
Von einer „offenen und ernsten Aussprache" berichtete Generalsekretär Hermann Winkler. „Ich gehe davon aus, dass davon das Verhältnis zwischen Kreis-und Landesvorstand, aber auch die interne Atmosphäre innerhalb des Kreises profitiert hat." Winklers Eindrücke von der Stimmung an der Parteibasis dürften auch das weitere Verhalten von Ministerpräsident Milbradt gegenüber seiner umstrittenen Ministerin beeinflussen. Weber muss noch 49 Tage bis zum Erreichen ihrer Pensionsansprüche im Ministeramt durchhalten.
(Hubert Kemper)